Wegen Ukraine-Krieg
Auch Schweiz schickt Russen-Spione nach Hause

Während andere Staaten reihenweise russische Diplomaten ausweisen, hielt sich die Schweiz bisher zurück – und erntete einmal mehr Kritik. Nun zeigt sich: Hinter den Kulissen weist auch der Bund russische Spione in die Schranken.
Publiziert: 17.05.2022 um 17:49 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2022 um 21:25 Uhr
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Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock warf 40 russische Diplomaten raus. Andere Länder folgten dem Beispiel.
Foto: Keystone

Der Bundesrat machte gleich mehrfach keine gute Falle: Er sei auf den Ukraine-Krieg völlig unvorbereitet gewesen, kritisierte die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments. So war die Schweiz erst mit dem Flüchtlingsstrom überfordert. Die Übernahme von Sanktionen gegen Russland artete völlig im Chaos aus. Und Bundespräsident Ignazio Cassis (61) geriet in die Kritik, weil er Kriegsverbrechen Russlands nicht beim Namen nennen wollte.

Auch der Umgang mit russischen Diplomaten sorgte für Stirnrunzeln. Deutschland, Frankreich oder Italien – zahlreiche Staaten reagierten umgehend auf die Gräueltaten in der Ukraine und setzten russische Diplomaten vor die Tür. Anders der Bundesrat: Er verzichtet offiziell bis heute auf Ausweisungen.

Schweiz wirkt hinter den Kulissen

Dabei warnt auch der Nachrichtendienst: Rund ein Drittel der 221 russischen Diplomaten im Land sollen Spione sein. Erneut wurde Cassis vorgeworfen, er fasse Putins Schergen mit Samthandschuhen an. Sein Aussendepartement begründete die Zurückhaltung damit, «die Kommunikationskanäle mit Russland aufrechterhalten» zu wollen.

Doch nun zeigt sich: Das Aussendepartement (EDA) verschliesst nicht etwa die Augen. Hinter den Kulissen weist auch die Schweiz russische Diplomaten in die Schranken. Um aber mögliche Vermittlerdienste nicht zu gefährden, geht sie weniger publikumswirksam vor.

Fakt ist: Bedroht ein Spion die innere Sicherheit der Schweiz, muss auch er seine Koffer packen. Das EDA wende sich dann jeweils direkt an die Botschaft und fordere sie diskret auf, die Person abzuziehen – was auch meist passiere, berichten gut unterrichtete Quellen.

Oft wird ein Auge zugedrückt

Offiziell will das EDA dies weder bestätigen noch dementieren. Auch wie viele russische Botschaftsangehörige seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs gehen mussten, bleibt geheim.

Das Vorgehen hinter den Kulissen ist auch Aussenpolitikern im Parlament bekannt. «Die Schweiz geht einfach subtiler vor. Aber wir wollen hier auch keine Spionage», sagt einer. Öffentlich dürfen sie sich nicht dazu äussern. Es gilt das Kommissionsgeheimnis. Das diplomatische Vorgehen passe zur Neutralität der Schweiz, findet ein anderer.

Die Situation ist für die Schweiz aber auch nicht neu. Gerade im internationalen Genf gebe es eine grosse Dichte an Spionen – aus allen Herren Ländern. Diese seien oft auch bekannt, heisst es aus Diplomatenkreisen. Solange sie aber nicht das Gesetz brechen, «gilt das ungeschriebene Gesetz, dass ein Auge zugedrückt wird».

«Kein Zeichen von Schwäche»

Das sei auch in vielen anderen Staaten so. Bei der europaweit abgesprochenen Ausweisung russischer Diplomaten gehe es daher vor allem um ein politisches Signal. Betroffen sei bei weitem nicht nur Personal, das für den Nachrichtendienst arbeite. Nur weil der Bundesrat dieses Signal nicht aussenden wolle, «ist das kein Zeichen von Schwäche».

Im Parlament wird das teilweise kritischer betrachtet. Der Bundesrat wolle «auf jeden Fall einen Gesichtsverlust Russlands vermeiden», meint ein weiterer Aussenpolitiker. «Beim EDA hängt man noch immer dem Traum vom grossen Friedensgipfel in der Schweiz nach und will es daher nicht mit Russland verscherzen.» (dba)

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