Journalisten wird «Russophobie» vorgeworfen
Russische Botschaft schimpft über Schweizer Medien

Die russische Botschaft ärgert sich nicht nur über die Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz, sondern nun auch über die Berichterstattung der Schweizer Medien. Diese seien «russophob», also Russen-feindlich.
Publiziert: 12.05.2022 um 20:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2022 um 08:09 Uhr
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So berichtete Blick am 9. Mai über die Feiern in Russland.
Foto: Screenshot
Ruedi Studer

Und wieder kommt dem russischen Botschafter in der Schweiz, Sergei Garmonin, die Galle hoch. Nervte er sich gerade noch über die Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz, schimpft die russische Botschaft nun in einer neuen Stellungnahme über die Schweizer Presse.

Konkret geht es um die Berichterstattung über den 9. Mai, an welchem Russland den Sieg über Nazi-Deutschland 1945 feiert. Dass die Schweizer Medien nicht in die Jubelfeiern einstimmen mochten und den russischen Kriegsjubel kritisch beurteilten, ist der Botschaft ein Dorn im Auge. So titelte auch der Blick: «Tag des Sieges ist jetzt Tag der Schande!»

In einem langen Kommentar, welche die Botschaft auf ihrer Homepage aufgeschaltet und vertwittert hat, nimmt die russische Vertretung die hiesigen Medien ins Visier.

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Die Russen stören sich etwa daran, dass Journalisten nicht zögern würden, Russland mit Nazi-Deutschland und den russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) mit Adolf Hitler zu vergleichen. Gross ist der Ärger auch darüber, dass Putin «Chauvinismus», «Kriegskult» oder eine «Instrumentalisierung» des 9. Mai vorgeworfen wird. Die Journalisten würden sich allerlei einfallen lassen, um den schönsten Feiertag Russlands zu trüben. Ja, die Botschaft stellt eine richtiggehende «Russophobie» fest.

«Verkehrte Welt»

Die Botschaft spricht in ihrem Kommentar von einer «verkehrten Welt». Denn in den Schweizer Medien würden die «Kämpfer gegen den Neonazismus» (aus Sicht der Russen also die Russen) als Faschisten beschimpft. Demgegenüber würden «diejenigen mit Hakenkreuzen und Runen» (aus Sicht der Russen also die Ukrainer) als Helden des ukrainischen Widerstands gefeiert.

Die Botschaft nimmt sich einen Artikel besonders zu Herzen. Darin werde Putin vorgeworfen, einen «faschistischen Vernichtungskrieg» zu führen – mit fanatischem Nationalismus, unvorstellbarer Grausamkeit und der Selbstdarstellung als defensives Opfer. «Nun, diese Beschreibung passt ziemlich genau auf die Invasionen der USA oder der Nato in vielen Ländern der Welt in den letzten Jahren», schreibt die russische Botschaft dazu – und verweist etwa auf den Irak-Krieg.

Aufgesetzt wird gefragt, wo denn da die Sanktionen der Schweiz gegen die USA geblieben seien. Und wie viel Gelder amerikanischer Oligarchen beschlagnahmt wurden. Oder: «Haben amerikanische Rockstars und klassische Orchester ihre Konzerte in der Eidgenossenschaft abgesagt und wenn nicht, haben sie sich ausreichend von der Politik des amerikanischen Präsidenten distanziert? Ist ein Big Mac endlich verboten?»

Gräuel des Zweiten Weltkriegs

Dann folgen Ausführungen über Hitlers Angriff auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Auch rund 1400 Schweizer – davon 800 in der SS – seien beteiligt gewesen, betont die Botschaft.

Weiter folgt eine Reihe grausamer Zahlen: 26,6 Millionen Sowjets fielen dem deutschen Vernichtungsfeldzug damals zum Opfer. Tausende Städte und Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Millionen Menschen wurden obdachlos. Und und und ... Die russische Botschaft skizziert mit Blick auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs ein – durchaus reales – Bild der Zerstörung.

Und kommt zum Schluss, dass eben dies ein «faschistischer Vernichtungskrieg» gewesen sei. Und impliziert dabei gleichzeitig, dass die jetzige russische Aggression quasi klein im Vergleich dazu sei und damit kein Vernichtungskrieg sein könne. Die Millionen von Vertriebenen und Zehntausende von Toten im jetzigen Krieg scheinen für die russische Botschaft bloss Peanuts zu sein.

Gleichzeitig rechtfertigt sie den Angriffskrieg auf die Ukraine mit dem Kampf gegen den Faschismus.

Sogar Wilhelm Tell muss herhalten

Unmut äussert die russische Botschaft schliesslich auch darüber, dass in der Presse darüber diskutiert worden sei, den Russen die Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen am 9. Mai zu verbieten – etwa in Basel. Die Zeremonie wurde unter grossen Sicherheitsvorkehrungen aber durchgeführt.

Während sich die russische Botschaft über die vermeintlich einseitige Berichterstattung in den Medien ärgert, versteigt sie sich zur Aussage, dass «es nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft keinen einzigen bestätigten Fall von Gewalt gegen Kinder durch russische Soldaten gibt» – die Bilder von durch russische Bomben und Raketen getöteter Kinder und Jugendlicher blenden die russischen Propagandisten geflissentlich aus.

Botschaft teilt gegen Journalisten aus

Ganz zum Schluss kommt die russische Botschaft wieder auf den 9. Mai als Feiertag zurück mit der Bemerkung, «dass die Russen anderen Ländern, einschliesslich der Eidgenossenschaft, nicht vorschreiben, wie sie ihre Feiertage zu begehen haben». Schliesslich versuchten die Russen der Schweiz ja auch nicht beizubringen, «wie man Wilhelm Tell ehrt». Insofern verbittet sich die Botschaft jegliche Einmischung, wie der Tag des Sieges zu feiern sei und meint zum Schluss: «Danke, wir kriegen das hin.»

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Es ist nicht das erste Mal, dass die russische Botschaft gegen die Schweiz und die Medien austeilt. Ihrem Ärger über die Schweiz gibt die russische Botschaft auch regelmässig auf ihrer Homepage oder über ihren Twitter-Account Ausdruck. Auch Journalisten geraten dabei ins Visier der Russen, wie die «Aargauer Zeitung» jüngst publik machte.

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