Die Schweizer Rüstungsindustrie fürchtet ernsthaft um ihre Zukunft. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sorgt der Bundesrat im Ausland für Ärger. Mehrfach lehnte er aus Neutralitätsgründen Anfragen für den Export von Schutz- und Kriegsmaterial ab.
Dass auf Bern als Rüstungspartner in Kriegszeiten kein Verlass sei, wie der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (53) wetterte, könnte Folgen haben: Deutschland will keine Schweizer Munition mehr kaufen. Andere Nato-Staaten könnten dem Beispiel folgen.
Waffenindustrie sei wichtig für Unabhängigkeit der Schweiz
Das bereitet auch SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) Kopfzerbrechen. Am vergangenen Donnerstag lud er Vertreter der Rüstungsindustrie an einen Runden Tisch. Die Schweiz sehe sich mit grossen Herausforderungen konfrontiert: Der Ukraine-Krieg könnte wieder «eine allianzorientierte Beschaffungspolitik begünstigen». Im Klartext: Die Schweiz droht, aussen vor zu bleiben.
Auch die Waffenlobby sorgt sich «um den Ruf und die Verlässlichkeit der Schweiz». Dürfen auch weiterhin nicht mal andere Staaten Waffen und Munition aus Schweizer Produktion an die Ukraine weitergeben, sieht sie sich gegenüber ihrer Konkurrenz benachteiligt. Ihre Forderung: Die Schweiz soll ihr striktes Kriegsmaterialgesetz wieder lockern. Die Bedeutung der Rüstungsindustrie für die Sicherheit der Schweiz müsse anerkannt werden.
Neutralitätsrecht weiter einhalten
Das scheint nun sogar bei der SVP zum Umdenken zu führen. Bisher hielt die Partei eisern an ihrer Position der strikten Neutralität fest. Noch am Mittwochmorgen prangerte die Partei Vorschläge zur Weitergabe von Waffen als Gefahr für die Sicherheit des Landes an. Am Nachmittag dann zeichnete sich die spektakuläre Wende ab: Jetzt überlegen sich plötzlich auch SVP-Politiker, den Weg für die Weitergabe von Kriegsmaterial freizugeben.
SVP-Ständerat Werner Salzmann (60) werde am Donnerstag in der sicherheitspolitischen Kommission (SiK-S) gleich zwei Anträge einreichen, machte CH Media bekannt. «Mir ist wichtig, dass wir das Neutralitätsrecht einhalten», wird SiK-Präsident Salzmann zitiert, «und solange wir nicht direkt Waffen ins Kriegsgebiet liefern, ist das der Fall.» Die Anträge seien mit der Partei abgesprochen, heisst es. Unumstritten aber sind sie nicht.
Wahl zwischen Pest und Cholera
Primäres Ziel sei allerdings nicht, der Ukraine beizustehen. Vielmehr geht es darum, der Schweizer Rüstungsindustrie zu helfen. Unterstützung findet Salzmann etwa bei SVP-Ständeratskollege Hannes Germann (66). Die Neutralität sei zwar zu wahren, gleichzeitig aber solle das Kriegsmaterialgesetz bei befreundeten Staaten gelockert werden, erklärt er auf Twitter. «Damit stärken wir unsere Rüstungsindustrie und unsere eigene Armee.»
Die Waffenlobby dürfte gerade auch bei der SVP lobbyiert haben. Die Volkspartei habe erkannt, dass eine strikte Ablehnung sämtlicher Waffenlieferungen die Zukunft der heimischen Rüstungsindustrie tatsächlich gefährdet.
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Das wiederum würde eine unabhängige Rüstungsproduktion im eigenen Land verunmöglichen – und damit das gerade von der SVP hochgehaltene Prinzip der bewaffneten Neutralität torpedieren. «Die Schweizer Rüstungsindustrie ist ein Standbein unserer Milizarmee», betont Salzmann gegenüber der SRF-Sendung Rundschau. Indirekte Waffenlieferungen zulassen oder die heimische Rüstungsindustrie gefährden – die Volkspartei hat also die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Das Thema bleibt in der SVP denn auch höchst umstritten. Fraktionschef Thomas Aeschi (44) deutet an, dass sich die Bundeshausfraktion noch keine abschliessende Meinung gebildet hat. Auch er selber will sich noch nicht in die Karten blicken lassen. Klar aber scheint: Die SVP will die Neutralität der Schweiz auch weiterhin hochhalten.
FDP und Mitte-Partei hingegen arbeiten schon seit Monaten auf eine Lockerung des Nichtwiederausfuhrverbots hin – und kürzlich ist auch die SP umgeschwenkt. Für die Schweizer Waffenlobby gibt es also durchaus wieder Grund zur Hoffnung.