Immer öfters bleiben gewöhnliche Antibiotika wirkungslos – mit fatalen Folgen. Wer sich multiresistente Keime einfängt, muss hoffen, dass die letzten Reserve-Wirkstoffe anschlagen, ansonsten kann auch die Medizin nicht mehr helfen.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Der britische Starchirurg Ara Darzi (63) schlug kürzlich Alarm: Eine stille Pandemie, gefährlicher als Corona, an der bereits heute jedes Jahr eine Million Menschen sterben, bedrohe die Menschheit. Auch Anne Lévy, die Chefin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), sagte im Blick-Interview: «Gegen gewisse Erreger gibt es schon heute keine wirksamen Antibiotika mehr.»
Jetzt zeigt eine neue Studie: Multiresistenter Keime haben im Jahr 2019 Schweizer Patientinnen und Patienten 6805 gesunde Lebensjahre gekostet, das schreiben die Zeitungen von CH Media. Das sind 70 Prozent mehr als noch 2010. Die Forscher haben berechnet, wie hoch die Differenz zwischen der geschätzten Lebenserwartung und dem Todesalter war. Wenn eine 60-jährige Frau also stirbt, weil die Antibiotika nicht mehr anschlagen, verliert sie bei einer geschätzten Lebenserwartung von 80 Jahren 20 Jahre.
Westschweizer besonders betroffen
Auffällig ist, dass in der Westschweiz der Verlust an Lebensjahren doppelt so gross ist wie in der Deutschschweiz, schreiben die CH-Media-Zeitungen. Ein Grund dafür ist gemäss Andreas Kronenberg von der Universität Bern die Nähe zum Ausland. «Die Schweiz importiert einen Grossteil ihrer Resistenzen.»
Ärzte aus der Westschweiz würden zudem öfter Antibiotika verschreiben. Im internationalen Vergleich stehe die Schweiz aber gut da. «Wir haben den Antibiotikaverbrauch beim Menschen in den letzten zehn Jahren um knapp 14 Prozent gesenkt.»
Das Problem mit multiresistenten Keimen ist, dass selbst neue Antibiotika der 3. und 4. Generation nicht ausreichen, um ihn auszuschalten.
«Wir müssen wachsam bleiben»
BAG-Chefin Lévy sieht die Gesundheit nicht bedroht. «Doch wir müssen wachsam bleiben», sagte sie im Blick-Interview. Der Bund habe schon 2016 eine Strategie verabschiedet und setze sich auch auf internationaler Ebene für Verbesserungen ein. Der Bund unterstütze zudem die Forschung munter anderem für ein nationales Kompetenzzentrum zur Antibiotikaforschung.
Laut einer Studie des Schweizerischen Zentrums für Antibiotikaresistenzen sterben in der Schweiz pro Jahr etwa 280 Menschen wegen der Antibiotikaresistenz.
Resistenzen gegen Antibiotika gibt es schon seit Milliarden Jahren. Doch der Antibiotika-Verbrauch in der Human- und Tiermedizin hat seit Mitte der 1940er-Jahre stark zugenommen. Und dadurch hat der Mensch die Antibiotikaresistenz verstärkt. (bro)