Mehr als einmal pro Monat hat die Kesb 2022 einen Jugendlichen ins Regionalgefängnis Thun BE gesteckt. Unschuldig. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) leiden unter akutem Platzmangel in Heimen, Instituten und Psychiatrien. Jugendliche, die weder Eltern noch Bezugspersonen haben und eigentlich eine Therapie bräuchten, werden deshalb ins Gefängnis geschickt, berichtet SRF.
Gedacht seien solche Aufenthalte als kurze «Auszeiten». Der Beitrag berichtet aber auch von einem Fall, wo eine 14-Jährige mehr als drei Monate im Gefängnis bleiben musste. Selbst Straftäter werden erst ab 16 Jahren eingesperrt.
27 Fälle allein in Thun
Allein in der Jugendabteilung des Gefängnisses in Thun ist es in zwei Jahren zu 27 Fällen gekommen. Die Einweisungen kamen aus sechs Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein. Auch im Jugendgefängnis Waaghof in Basel kam es in den letzten zwei Jahren zu fünf Fällen.
Bemerkenswert ist die Praxis im Kanton Zürich. Dort will Justizdirektorin Jacqueline Fehr (60) nicht, dass Jugendliche zivilrechtlich ins Gefängnis müssen. Gleichzeitig schickt die Zürcher Kesb Jugendliche ins Gefängnis nach Thun. Den Widerspruch erklärt Fehrs Sprecher gegenüber SRF darin, dass die Kesb eigenständig sei – deren Entscheide müssten Gerichte prüfen, nicht die Justizdirektion.
«Im Gefängnis nichts zu suchen»
Rechtlich gibt es Zweifel, ob die Praxis überhaupt erlaubt ist. Jugendliche, die nicht mit dem Strafrecht in Kontakt gekommen seien, hätten «im Gefängnis nichts zu suchen», sagt Martina Caroni (54), die Präsidentin der Antifolterkommission. Die Rechtsprofessorin der Uni Luzern sagt, hinter Gittern könnten Jugendliche nicht altersgerecht behandelt werden. «Das widerspricht sicher der Kinderrechtskonvention.»
Die Kesb verweist auf das Zivilgesetzbuch. Demnach dürfe sie zum Schutz des Kindes geeignete Massnahmen treffen, falls das Wohl gefährdet sei. Aus Sicht der Behörde ist ein Gefängnisaufenthalt also eine geeignete Massnahme. (bro)