Auf einen Blick
Ständig wird irgendetwas «aufs Abstellgleis» geschoben. Im übertragenen Sinne: ausrangierte Faxgeräte, zu selten eingesetzte Fussballspieler, verzögerte Bauprojekte. Doch die Redewendung hat neuerdings auch eine verblüffende Bedeutung: Die Abstellgleise geraten selbst ins Hintertreffen.
«Wir sind am Anschlag», meinte Thomas Isenmann, Geschäftsführer der Schweizerischen Trassenvergabestelle, schon vergangenen Sommer im Blick. Denn der Bahnnation Schweiz fehlt es an Abstellgleisen. Beim Streckenausbau sei zu wenig beachtet worden, dass es auch Platz für Züge braucht, die nicht fahren. Isenmann und sein Team müssen den Transportunternehmen vermehrt unattraktive Abstellgleise zuweisen, die weit abseits von Bahnhöfen liegen.
Lokpersonal muss Auto fahren
Das hat auch für die Angestellten Konsequenzen. Das Lok- und Bahnpersonal muss längere Strecken zurücklegen, um den Arbeitsort zu erreichen. Die Krux: Lokführerinnen und Zugbegleiter beginnen und beenden ihre Dienste zu Zeiten, in denen kaum öffentlicher Verkehr unterwegs ist – wenn überhaupt. Ausgerechnet die Belegschaft des Bahnunternehmens muss deshalb mit dem Auto zur Arbeit fahren, wie die BLS AG auf Anfrage bestätigt.
Das Problem ist mittlerweile so gross, dass nicht einmal die betriebseigenen Fahrzeuge der BLS AG ausreichen. Rund 450 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen würden den Fahrdienst gern in Anspruch nehmen, denn weil Schichtbeginn und Schichtende meist an verschiedenen Orten sind, können sie ihre Privatfahrzeuge nicht benutzen. Die BLS weiche darum auf Mietautos aus: In den meisten dieser Fälle werden Taxi- oder Carsharing-Dienstleistungen genutzt.
Uber als Alternative?
Es sei unerlässlich, dass die Übernahme und Abgabe der Autos schnell und unkompliziert erfolgt, so die BLS. «Verspätungen der Lokführerinnen und Lokführer hätten Verspätungen im Zugverkehr zur Folge.» Darum prüft die Bahngesellschaft, welche Anbieter die Anforderung für den Personaltransport erfüllen. Der Fragenkatalog dazu wurde auf der Beschaffungsplattform Simap publiziert.
Probleme mit der momentanen Lösung gebe es zwar nicht. Für künftige Ausschreibungen aber wolle man Informationen sammeln. Die BLS erkundigt sich bei ihrer Untersuchung etwa, ob Reparatur und Reinigung der Fahrzeuge im Mietpreis enthalten sind, ob es ab einem gewissen Jahresumsatz Preisnachlässe gibt und ob Alternativen wie Taxis oder Uber verfügbar sind, wenn bei den Vertragsanbietern gerade kein Fahrzeug frei ist.
SBB-Personal fährt Taxi
Auch die SBB müssen gelegentlich auf Taxis zurückgreifen. In der Regel gelange das Lokpersonal zwar zu Fuss zu den Abstellfeldern, schreibt der Staatskonzern auf Anfrage. Zu Randzeiten und bei dezentralen Abstellgleisen komme es jedoch vor, dass diese weder für Fussgänger noch mit dem öffentlichen Verkehr erreicht werden könnten. «In diesen Fällen gelangen die Mitarbeitenden entweder mit dem eigenen Auto oder mit (Sammel-)Taxis zu den Abstellgleisen.»