In der Schweiz wird es kälter. Nun werden zentrale Elektrospeicherheizungen oder mobile Elektro-Öfeli wieder angeworfen, und das wirkt sich auch auf die Stromversorgung aus: Statt Strom zu exportieren – wie meistens in den vergangenen Monaten –, ist das Land nun wieder vermehrt auf Importe angewiesen. «Die Schweiz befand sich in der vergangenen Woche mehrheitlich im Importmodus», hält der neuste Lagebericht des Bundesamts für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) fest.
Und: «Trotz der guten Ausgangslage im Inland könnten Importbeschränkungen der Nachbarländer für die Schweiz im Verlaufe des Winters zu Einschränkungen in der Versorgung führen.»
Die Situation, insbesondere in Frankreich, bleibe vorerst unsicher. «Es könnte durchaus sein, dass es in einem Nachbarland regional zu Versorgungsproblemen kommt – mengenmässig oder wegen technischer Störungen – und deshalb die Stromexporte in andere Länder, darunter die Schweiz, zeitweise gedrosselt werden», ergänzt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie gegenüber Blick. «Dieser Importstrom würde uns dann für unsere Versorgung fehlen.»
Zwar versucht der Bund eine allfällige Lücke mit Gegenmassnahmen wie etwa einer Wasserkraftreserve, Notstromgruppen oder einer Senkung der Restwassermengen zu verhindern. Doch Stromsparen ist weiterhin angesagt, um eine Strommangellage zu verhindern. Besonders gegen Ende Winter könnte es kritisch werden, wenn sich die Stauseen leeren.
Wasserpumpen von Strom abhängig
Im Ernstfall wäre auch ein besonders wichtiges Gut in Gefahr: unsere Wasserversorgung! «Für den Betrieb von Pumpen und Aufbereitungsanlagen sind Wasserversorger in hohem Mass von der Stromzufuhr abhängig», warnte das BWL in einem früheren Lagebericht. Die Wasserversorger würden deshalb derzeit ihre Vorbereitungsmassnahmen für eine mögliche Strommangellage überprüfen.
Das bestätigt Christos Bräunle vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW), einem Zusammenschluss von Unternehmen und Fachleuten. «Für viele Gemeinden ist die Wasserversorgung ein bedeutender Strombezüger, weil regelmässig Grundwasser in die Reservoirs gepumpt werden muss», sagt Bräunle.
Wenn es zu einer Stromkontingentierung kommt und die Grossverbraucher beispielsweise 20 oder 40 Prozent ihres Stromverbrauchs einsparen müssten, stehen viele Wasserversorger vor einer Herausforderung. «In den letzten Jahren wurden vielerorts effizientere Pumpen installiert», weiss Bräunle. Das Programm wurde gar durch Energie Schweiz gefördert. «Nun gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, noch weiter zu sparen – schon gar nicht kurzfristig.»
Notfalls Wasserspar-Appell
Eine Kontingentierung hätte damit auch Auswirkungen auf die Wasserversorgung. «Stromsparen können viele Versorger nur, wenn sie weniger Wasser pumpen. Weniger Strom bedeutet damit auch weniger Trinkwasser», so Bräunle. So werden derzeit auch Szenarien erarbeitet, bei welchen die Bevölkerung notfalls zum Wassersparen aufgerufen werden muss. «Zumindest regional, wie wir dies heute etwa bei Hitzeperioden kennen.»
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Auch Netzabschaltungen über wenige Stunden wären für Wasserversorger eine Herausforderung. «Kein Strom bedeutet aber nicht, dass kein Wasser aus dem Hahnen fliesst», relativiert der Experte. «In diesem Fall würden die Reservoirs gefüllt, während die Pumpen laufen.» Sei das Wasser mal oben, brauche es für die Verteilung in die Haushalte keinen Strom mehr. «Da reicht allein der Wasserdruck über das Gefälle.» Würde eine Netzabschaltung aber länger andauern, könnte eine allfällige Wasseraufbereitung problematisch werden.
Die Lage unterscheide sich von Gemeinde zu Gemeinde, macht Bräunle klar. «Wer über eine Quelle verfügt und keine Pumpen benötigt, wäre gar nicht betroffen – das ist aber eine deutliche Minderheit.» Andere Versorger hätten zudem Notbrunnen mit Quellwasserfassungen, die immer fliessen würden. «Zürich hat eine solche Notwasserversorgung.»
Vorbereitung auf Notszenario
Noch ist aber offen, ob die Wasserversorger beim Stromsparen mithelfen müssten – oder ob sie allenfalls als kritische Infrastruktur von einer Ausnahmeregelung profitieren würden. «Stand heute, sind wir nicht per se von den Massnahmen ausgenommen, weshalb wir uns auch auf ein Notszenario vorbereiten müssen», so Bräunle.
So überprüfen die Wasserversorger etwa, welche Stromsparmassnahmen noch möglich wären oder wie sie selber für Strom sorgen könnten. Vor allem grössere Versorger verfügen bereits über Notstromaggregate, bei kleineren Anbietern hingegen wird derzeit in diesem Bereich aufgerüstet. Bräunle macht klar: «Einen Sparappell beim Wasserverbrauch wollen wir möglichst verhindern. Das wäre wirklich die Ultima Ratio.»