Das neuste Feindbild der SVP ist ein Sonderzeichen. Der Genderstern sei eine Verhunzung der Sprache, findet SVP-Programmchefin und Nationalrätin Esther Friedli (45). Und nicht nur das. Der «links-grüne Gender-Terror» bringt das Blut der SVP dermassen in Wallungen, dass die Partei dem Kampf dagegen sogar ein eigenes Kapitel im neuen Parteiprogramm widmet.
Höchste Zeit, muss man aus Friedlis Sicht sagen. Denn der «Woke-Wahnsinn», wie die SVP die Diskussion um genderneutrale Sprache oder kulturelle Aneignung gerne nennt, hat die Partei doch tatsächlich schon selbst ergriffen. Das zeigt ein Flyer einer Aargauer SVP-Ortssektion, der auf Twitter geteilt worden und der «NZZ am Sonntag» ins Auge gestochen ist.
Brief an die Stimmbürger*innen
«Liebe Birmenstorfer*innen», heisst es in dem Schreiben, das vom Vorstand der SVP Birmenstorf gezeichnet ist. Die Ortspartei wendet sich an die «Stimmbürger*innen», um über eine bevorstehende Abstimmung über eine Kiesgrube in der Gemeinde zu informieren.
Nationalrätin Esther Friedli hätte den Flyer wohl schon nach dem Lesen der ersten beiden Worte ins Altpapier geworfen. Briefe und Mails mit Genderstern in der Anrede wanderten bei ihr direkt in den (digitalen) Papierkorb, sagte die St. Gallerin jüngst in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger».
«Wir haben andere Probleme»
In Birmenstorf, einer 3000-Seelen-Gemeinde neben Baden, ist man dem Sternchen gegenüber ganz offensichtlich offener eingestellt. «Wir haben andere Probleme, als über den Genderstern zu diskutieren», sagt Marcel Humbel (56), Präsident der SVP Birmenstorf. Ein Parteimitglied habe den Flyer gestaltet und die Formulierung gewählt. «Ich habe mich daran nicht gestört», sagt er. Seine Parteikolleginnen und -kollegen offenbar auch nicht. Er habe bisher keine negativen Reaktionen erhalten, sagt Humbel.
Was die Politiker auf nationaler Ebene tun würden, habe nichts mit der Dorfpolitik zu tun. So ein Genderstern sei ihm nicht so wichtig, sagt der SVP-Ortspräsident. «Die Abstimmung über den Kiesabbau oder die vielen Flüchtlinge, die kommen, bewegen uns hier im Dorf viel mehr.»