Warum der Freedom Day vertagt werden muss
Noch steigen die Omikron-Zahlen fast überall

Eine breite Gewerbler-Allianz drängt auf einen sofortigen «Tag der Freiheit». An diesem soll der Bundesrat alle Corona-Massnahmen aufheben. Die Experten halten nichts davon. Auch wegen den Zahlen aus anderen Ländern.
Publiziert: 26.01.2022 um 01:08 Uhr
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Aktualisiert: 26.01.2022 um 06:12 Uhr
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«Gemeinsam fordern wir die sofortige Aufhebung der Corona-Massnahmen», sagte Gewerbe-Direktor Hans-Ulrich Bigler am Dienstag vor den Medien.
Foto: Keystone
Daniel Ballmer

Schluss mit Zertifikats- und Homeoffice-Pflicht! Weg mit Quarantäne und Isolation! Und zwar sofort! Eine Allianz rund um den Gewerbeverband hat die Nase gestrichen voll. «Wir fordern die sofortige Aufhebung aller Corona-Massnahmen», sagte Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (63) am Dienstag vor den Medien. «Viele Branchen wie auch die Bevölkerung leiden massiv.» Und es sei auch kein Problem: Die Situation in den Spitälern habe sich längst beruhigt.

«Machen Sie es zum Beispiel wie England», appellierte auch Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer (60) an den Bundesrat. «Auch unser Land braucht einen Freedom Day!» Spätestens am 2. Februar seien die Massnahmen aufzuheben. Das Datum ist nicht zufällig gewählt. Dann will sich der Bundesrat erneut über die Corona-Massnahmen beugen.

«Das könnte ein Schuss in den eigenen Fuss sein»

Die Corona-Experten des Bundes machen kein Geheimnis daraus, was sie von den Forderungen von Bigler und Co. halten: gar nichts! «Aus wissenschaftlicher Sicht wäre das keine kluge Strategie – sogar für jene Branchen, die das fordern», warnte Urs Karrer, Vizepräsident der wissenschaftlichen Taskforce. «Auch wirtschaftlich könnte das ein Schuss in den eigenen Fuss sein.»

Derzeit kann sich die Wirtschaft nämlich gut gegen die Omikron-Welle behaupten, wie Jan-Egbert Sturm, Vizepräsident der Taskforce und Professor an der ETH Zürich, unterstrich. Die Umsatzeinbussen hielten sich mit durchschnittlich ein Prozent in Grenzen. «Ohne die jetzigen Massnahmen wäre die Situation deutlich schlimmer», ist er überzeugt.

Und: Noch scheint der Höhepunkt der Omikron-Welle nicht erreicht. Am Dienstag wies der Bund 36'658 bestätigte Fälle aus – so viele wie noch nie an diesem Wochentag. Und: Die hohe Positivitätsrate bei Tests weist auf eine hohe Dunkelziffer hin. Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht davon aus, dass sich landesweit pro Tag etwa 100'000 Menschen anstecken.

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Noch steigen die Omikron-Zahlen fast überall

Die Corona-Zahlen steigen in weiten Teilen der Welt weiter stark an. Auch Frankreich oder Brasilien vermeldeten dieser Tage neue Höchststände. Ein Abflachen der Kurve ist vielerorts nicht in Sicht. Immerhin: Die Zahl der Spitaleinweisungen sinkt – wobei die Taskforce einmal mehr vor unzuverlässigen Daten wegen Meldeverzögerungen warnt.

Dennoch zeigt sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorsichtig optimistisch. Sie hält ein Ende der Pandemie nach der Omikron-Welle für möglich. Darauf deutet die Entwicklung in Ländern hin, die früh getroffen wurden.

So sinken etwa in Südafrika oder Grossbritannien die Zahlen inzwischen deutlich. Auch die Hospitalisierungskurven zeigen nach unten. Die Briten schaffen Massnahmen wie Masken-, Zertifikats- und Homeoffice-Pflicht bereits nach und nach ab.

«Wir würden unnötig zusätzliche Schäden verursachen»

So weit ist es in der Schweiz noch nicht. Würden wir jetzt alle Massnahmen aufheben, käme es nochmals zu einer deutlichen Zunahme der Fallzahlen, mahnte Mathys. «Wir würden unnötig zusätzliche Schäden verursachen, wenn wir jetzt dem Virus freien Lauf liessen», hakte Karrer ein.

Doch auch BAG-Mathys erkennt bereits Licht am Ende des Tunnels. Da könne man nicht nochmals explodierende Fallzahlen brauchen. «Es braucht noch ein bisschen Geduld», sagte er. «Wir sind jetzt seit zwei Jahren in der Pandemie. Es wäre schade, wegen zwei bis drei Wochen alles zu verspielen.»

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