«Der Höhepunkt wird spätestens Mitte Februar sein»
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Infektiologe Huldrych Günthard:«Der Höhepunkt wird spätestens Mitte Februar sein»

Schweizer Corona-Experten-Paar
«Habe zeitweise den Glauben verloren an unser Land»

Virologin Alexandra Trkola und Infektiologe Huldrych Günthard kämpfen Seite an Seite gegen Corona. Dass beide derart stark auf das Virus fokussiert seien, fördere das gegenseitige Verständnis in der Beziehung.
Publiziert: 23.01.2022 um 13:00 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2022 um 13:18 Uhr
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Huldrych Günthard hat als leitender Arzt am Universitätsspital Zürich ständig mit Corona zu tun.
Foto: USZ

Sie sind das wohl kompetenteste Corona-Paar der Schweiz: Alexandra Trkola (57) und Huldrych Günthard (60). Sie kämpft als führende Virologin an der Universität Zürich gegen das Virus, er als leitender Arzt am Universitätsspital Zürich.

Früher hätten sie beim Zmorge über andere Themen als nur den Beruf sprechen können, erzählt Alexandra Trkola der «NZZ am Sonntag». «Jetzt lesen wir beim Frühstück die Zeitung, und unser Forschungsthema steht auf der Titelseite.»

«Ich hatte damals massive Schlafprobleme»

Zum ersten Mal über Covid gesprochen hätten sie in den Weihnachtsferien 2019, als Günthard in den Medien über die Lungenentzündungen in China las. «Ich sagte zu Alexandra: Da könnte etwas auf uns zukommen.»

Und Günthard sollte Recht behalten. Bald schon war das Virus auch in der Schweiz. Die Ungewissheit in der ersten Welle machte dem Infektiologen zu schaffen. «Ich hatte damals massive Schlafprobleme. Es ging mir nah, nicht zu wissen: Bekommen wir das in den Griff?» Auch Herzrhythmusstörungen setzten ein. «Mein Gefühl ist, dass es mit der Belastung zusammenhing. Aber mit Sicherheit lässt sich das nicht sagen.»

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Kaum Zeit für Studien

Inzwischen weiss man viel mehr über das Virus, zahlreiche Studien sind erschienen. Viel Zeit, die neusten Resultate zu studieren, haben Alexandra Trkola und Huldrych Günthard allerdings nicht. Er lese die Studien manchmal direkt nach dem Aufstehen, sagt Günthard. Oder in der Klinik – zwischen einem Patientenbesuch und dem nächsten Telefon. Dass sich das Paar austauschen kann, hat da Vorteile. «Wir profitieren enorm voneinander», sagt Alexandra Trkola. «Wenn Huldrych sagt, dass er diese oder jene Studie gelesen habe, vertraue ich seiner Zusammenfassung.»

Dass sie beide derart stark auf Corona fokussiert sind, fördere auch das gegenseitige Verständnis, sagt Günthard. «Hätte meine Frau professionell überhaupt nichts mit Corona zu tun, würde sie denken: Der spinnt komplett.» Das gelte auch umgekehrt. So seien sie kürzlich an einem freien Tag mit ihrer siebenjährigen Tochter unterwegs gewesen, und seine Frau habe ständig ans Telefon gemusst. «Wirklich ständig.»

Alexandra Trkola bedauert, dass sie ihre Tochter in den ersten Schulmonaten im Sommer 2020 nicht wie gewünscht unterstützen konnte. «Ich hatte mir vorgestellt, dass ich in dieser Zeit die Arbeit reduziere», sagt sie. «Das ging dann nicht. Das tat mir weh.» Auch die Freiheit, «einfach so nach Wien zu reisen, die Verwandten zu besuchen», habe sie in der Pandemie verloren.

Boni für Banken, nicht für Spitäler

Kritisch sehen die beiden Wissenschaftler den Schweizer Weg während der Pandemie. «Ich habe zeitweise den Glauben verloren an unser Land», sagt Günthard. «Wie wir die zweite Welle gemeistert haben, war einfach nur schwach.» Auch Trkola sagt, sie habe gedacht, in der Schweiz nehme man das in die Hand – «zack, zack» – doch dann sei vieles sehr erratisch gewesen.

Das Gesundheitswesen sei der Schweiz einfach zu wenig wert, findet Günthard. «Hätten die Banken geleistet, was das Gesundheitswesen seit zwei Jahren leistet, gäbe es Milliarden-Boni.» (til)

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