Seltenheit auf der Albisgüetli-Tagung
2:22
Blocher dankt dem Bundesrat:Seltenheit auf der Albisgüetli-Tagung

Blocher beerdigt im Albisgüetli Corona, Cassis das Rahmenabkommen 2.0
«Covid ist vorbei!»

Bundespräsident Ignazio Cassis begab sich am Freitagabend in die «europapolitische Höhle des Löwen». Doch statt in der Luft zerrissen zu werden, gab es Lob von alt Bundesrat Christoph Blocher.
Publiziert: 21.01.2022 um 22:46 Uhr
|
Aktualisiert: 22.01.2022 um 10:36 Uhr
1/7
«Gipfeltreffen»: Blocher und Cassis im Zürcher Albisgüetli.
Foto: KEYSTONE
Sermîn Faki

Bundespräsident Ignazio Cassis (60) dürfte diesen Termin müde und mit Spannung erwartet haben – müde, weil er in den 48 Stunden zuvor mit dem Staatsbesuch in Berlin und dem amerikanisch-russischen Treffen in Genf ein Mammutprogramm hinter sich hatte, als er am Abend in Zürich eintraf.

«Ein Rahmenabkommen 2.0 wird es nicht geben»
2:14
Bundespräsident Ignazio Cassis:«Ein Rahmenabkommen 2.0 wird es nicht geben»

Und gespannt, weil die Albisgüetli-Tagung der Zürcher SVP den jeweils geladenen Bundespräsidenten nicht immer einen warmen Empfang bereitet. Für Cassis kam erschwerend hinzu, dass er als Aussenminister für das EU-Dossier zuständig ist – Hauptkampfzone für die SVP, seitdem Christoph Blocher (81) das Zepter in der grössten Schweizer Partei übernahm. Das Albisgüetli sei die «europapolitische Höhle des Löwen», wie Cassis später sagen sollte.

«Sie schaffen die Wiederwahl!»

Doch schnell wurde klar: Cassis hatte nichts zu befürchten. Schon Benjamin Fischer (31), Präsident der Zürcher SVP, begrüsste Cassis mit warmen Worten: «Wenn es nach der SVP geht, schaffen Sie die Wiederwahl im ersten Wahlgang!», rief er dem Bundespräsidenten zu, über dessen Sitz in der Landesregierung nach den Wahlen 2023 schon heute wild spekuliert wird.

Auch Blocher war in seiner knapp einstündigen Rede geradezu überfreundlich zu Cassis, beglückwünschte den Bundesrat zu seinem «mutigen Entscheid», den Rahmenvertrag mit der EU im letzten Jahr zu versenken. «Das ist das Verdienst von Ignazio Cassis. Danke, Herr Bundespräsident!», rief Blocher in den Saal. Und er habe vernommen, dass Cassis darauf achten werde, dass man nicht wieder in einer solchen Kolonialvertrags-Lage mit Brüssel lande werde. «Bravo Herr Cassis!», lobte Blocher.

Wo war Ueli Maurer?

Abgesehen davon hatte die launige Rede – der unbestrittene Höhepunkt der Veranstaltung – von allem etwas und wenig neues. Blocher freute sich, dass der ebenfalls anwesende Bundesrat Ueli Maurer (71) diesmal etwas länger bleiben könne. In den letzten Jahren habe dieser ja jeweils schnell nach Bern fahren müssen, «um auf die Kasse zu hocken», damit die anderen Bundesräte sich nicht bedienen. «Heute kann er länger bleiben», so Blocher, «es hat ja nichts mehr drin!» Nur: Gesehen wurde Maurer im Festsaal nicht ...

Dies natürlich, weil die Massnahmen der Regierung in der Corona-Krise Milliarden verschlungen habe. Doch Blocher gab sich zuversichtlich: «Covid ist vorbei!», versprach er den rund 400 Gästen im Schützenhaus Albisgütli. Man solle sich von den täglichen Fallzahlen nicht verrückt machen lassen – «bei der Grippe zählen wir auch nicht jeden, der Husten hast und einen Tag zu Hause bleiben muss».

Viel Politik-Prominenz

Dann gab es Seitenhiebe gegen die Grünen und Linken, gegen Energieministerin Simonetta Sommaruga (61), die Schweiz mit ihrer Politik «in die Katastrophe führen werde», gegen die «classe politique», gegen die Pfarrer, die heute lieber «Regenbogenfähnli» aus dem Fenster hängen würden statt etwas Sinnvolles zu tun, ... eine Rede, die den wohl den meisten wunderbar gefiel – was die anwesenden parteifremden Zürcher Regierungsrätinnen Carmen Walker-Späh (63, FDP) und Silvia Steiner (64, Mitte) dachten, wird ihr Geheimnis bleiben.

Auch sonst war viel Polit-Prominenz anwesend: natürlich viele Zürcher SVPler von Regierungsrätin Natalie Rickli (45) über alt Nationalrat Christoph Mörgeli (51) bis hin zu den Nationalräten Magdalena Martullo-Blocher (52), Thomas Matter (55) und Roger Köppel (56) – letzterer wurde bei einer Blick-TV-Umfrage auffallend häufig als Favorit für die (irgendwann halt schon mal anstehende) Nachfolge von Ueli Maurer genannt.

Apropos Maurer-Nacholge: Auch Fraktionschef Thomas Aeschi (43) war aus Zug angereist, ebenso wie Ex-Präsident Albert Rösti (54) ... Wollen die beiden sich schon in Position bringen?

Cassis redet SVP ins Corona-Gewissen

Cassis, der schon vor vier Jahren als neu gewählter Bundesrat im Albisgüetli zu Gast war, bedankte sich für den warmen Empfang durch «caro Christoph» Blocher. Obwohl er diesem sogleich widersprach – «Wir alle wünschen uns die Normalität zurück. Ich kann Ihnen versichern, auch der Bundesrat freut sich darauf, wenn Corona einfach wieder eine Biermarke ist.»

Doch noch sei es nicht so weit, mahnte er präsidial in den Festsaal: «Als Arzt sage ich Ihnen zu dem, der Weg in die Normalität geht nur über Antikörper im Blut. Das passiert nur über die Impfung oder die Heilung. Es wird kein Wunder passieren.»

Kein «Insta 2.0»

In seiner Rede nahm es Cassis aber auch mit den «europapolitischen Löwen» auf: Die Landesregierung wolle weiterhin geregelte und stabile Beziehungen zu Brüssel. «Sie sind viel zu wertvoll, als dass wir sie einfach in Frage stellen» und mahnte, man solle nicht vergessen, dass es dabei auch um einen Warenaustausch von einer Milliarde Franken gehe – pro Tag.

Wie es nach dem Abbruch der Verhandlungen über das Rahmenabkommen Insta weitergehen soll mit EU, definiere der Bundesrat derzeit. «Eines kann ich Ihnen aber sagen: Ein Insta 2.0 wird es nicht geben», versprach er.

Und damit hatte er den Saal im Sack. Der Applaus war so warm wie der Empfang, im hinteren Saal gab es gar stehende Ovation.


Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?