«Die SVP ist ein Sanierungsfall.» Das sagte nicht irgendein schadenfroher linker Politologe. Es war auch nicht nur der neue SVP-Aargau-Chef Andreas Glarner (57). Glarner hatte den Satz abgekupfert. Nein, er stammt von Parteiübervater Christoph Blocher (79) persönlich. An der Kadertagung vor einer Woche im Hotel Bad Horn sprach der alt Bundesrat hinter verschlossenen Türen den wichtigsten Amtsträgern der Partei ins Gewissen.
Nicht das Kader, sondern die Parteibasis und Sympathisanten sind diesen Freitag zur Albisgüetli-Tagung in Zürich geladen worden. Beim öffentlichkeitswirksamen Kontrastprogramm zur Thurgauer Bad-Horn-Tagung hat laut Blocher nicht die SVP massive Probleme, sondern die Schweiz leidet – unter der Dekadenz der Linken nämlich.
Die schuldigen Damen
All diese neu gewählten jungen Frauen von links, die keine Berufslehre absolviert, sondern studiert haben, gefährden die Schweiz. Sie sind schuld an der um sich greifenden Dekadenz. Jedenfalls klingt es so in Blochers Rede. In der schriftlichen Version noch mehr als bei der tatsächlich gehaltenen Rede. Mündlich machte er sich ausführlicher über ihre Berufe lächerlich: «Studentin, Doktorandin, Soziologin».
In Zürich spricht er vom Niedergang der Schweiz. Im Thurgau waren es noch faule Kantonalpräsidenten, die die SVP an die Wand fahren. Beides stimmt nicht. Christoph Blocher weiss es besser. Doch er liefert, was das Publikum benötigt: Am Bodensee braucht das Parteikader einen Tritt in den Hintern, auf dem Albisgüetli brauchen die Parteigänger Schuldige für das, was falsch läuft.
Nur über ein Thema spricht Blocher nicht: darüber, wer die SVP Schweiz führen soll. Ob es einen Hardliner braucht, der provoziert statt harmoniert. Und welche Person das sein soll. Soll es einer wie Andreas Glarner sein, der polemisiert? Ein Banker wie Thomas Matter (53) oder Landwirt Marcel Dettling (38)? Oder soll der Zürcher Alfred Heer (58) übernehmen?
Oberhirte Blocher
Hingegen betonte der Parteivordenker, dass die SVP seit zwölf Jahren die wählerstärkste Partei sei. Dass dieser Erfolg zu einem Grossteil ihm selbst zu verdanken ist, braucht Blocher nicht zu betonen. Das ist jedem im Publikum klar. Und dass es keinen zweiten wie Blocher in der Partei gibt, ebenso.
Letzteres ist das grosse Problem der SVP: Was passiert, wenn der 79-Jährige nicht mehr mag? Wenn er nicht mehr kann? Egal, ob bis dahin unter dem Herrliberger ein Polteri dient oder nicht – ist der SVP-Oberhirte nicht mehr da, genügt ein Schäferhund nicht, um solch zahlreiche Parteischäfchen zusammenzuhalten und anzuspornen.
«Ihr mönd ad Säck», machte Blocher den Mannen und Frauen im Saal klar. Vor allem die Parlamentarier müssten das tun. Und sie müssten die SVP-Positionen vertreten. «Dann kommt es gut» – solange Blocher noch da ist.