Die Blasmusik gabs dieses Jahr nur aus der Konserve. Zum ersten Mal fand die traditionelle Albisgüetli-Tagung der Zürcher SVP nicht im Schützenhaus am Fusse des Uetlibergs, sondern virtuell statt.
Guy Parmelin (61) dürfte das nicht ungelegen gekommen sein. Der amtierende Bundespräsident ist jeweils eingeladen, nach Parteiübervater Christoph Blocher (80) eine Rede zu halten. Und so hatte Parmelin die wenig angenehme Aufgabe, vor versammelter SVP-Gemeinde die Corona-Politik des Bundesrats zu verteidigen. Eine Politik, die er selbst im Gremium mitgetragen hat. Die seine Partei aber zum Toben bringt.
«Wer kritisiert, wird als Staatsfeind betrachtet»
Insbesondere der Zürcher SVP-Kantonalpräsident Benjamin Fischer (30) geriet in Rage. Er warf der Regierung vor, ohne Datengrundlage Massnahmen zu verordnen, «die nichts nützen, aber die gesamte Wirtschaft an die Wand fahren». Parteiübervater Christoph Blocher (80) äusserte sich demgegenüber eher zurückhaltend zu den Corona-Massnahmen. Wer es wage, die Beschlüsse des Bundesrats zu kritisieren, werde «wie ein Staatsfeind» betrachtet, kritisierte Blocher.
Der SVP-Doyen rief zu Widerstand auf – Bundespräsident Parmelin derweil zu mehr Zusammenhalt: «Wir müssen in dieser wirklich schwierigen Situation nochmals zusammenstehen», so der Bundespräsident. Egal, welche Meinung man habe. Parmelin wiederholte, was er schon an der Medienkonferenz des Bundesrats vergangenen Mittwoch festgestellt hatte: «Das Virus hat dann am meisten Freude, wenn wir uns wegen dern unterschiedlichen Meinungen nun hoffnungslos zerstreiten, gleichzeitig alle Massnahmen vergessen und uns gegenseitig anstecken.»
Auch die EU war Thema
Doch nicht alles drehte sich an der Albisgüetli-Tagung um Corona. Ein wichtiges Thema in der Zürcher Schützenstube ist traditionsgemäss die Europapolitik – und auch dieses Jahr drehte Blocher erst so richtig auf, als die Sprache auf die EU kam. «Wären wir nicht gewesen, wären wir heute Mitglied der europäischen Union. Stellen Sie sich das vor!», rief er in die Kamera. Nun wolle die EU der Schweiz mit dem Rahmenabkommen einen «neuen Kolonialvertrag» aufdrücken.
Auch bei diesem Thema: Blocher polterte, Parmelin beschwichtigte. Er wisse, dass es sich um ein «heikles Thema» handle, sagte der Waadtänder SVP-Bundesrat diplomatisch. Vor allem in Bezug auf die Souveränität und den Wohlstand des Landes sei das Rahmenabkommen heikel. «Und diese Werte werde ich beziehungsweise der Bundesrat nicht so leicht preisgeben», versprach Parmelin den SVP-Mitgliedern.