Jetzt zittern die IT-Fachleute beim Bund. Die neue Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) lässt untersuchen, weshalb das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) Sonderermittler Peter Marti (72) alle vorhandenen Mails von Peter Lauener (52) herausgab.
Der Sonderermittler hatte vom BIT nämlich bloss jenen Mailverkehr des ehemaligen Kommunikationschefs von Gesundheitsminister Alain Berset (50) verlangt, der in genau definierte sechs Wochen fiel. Sollten sich unter den gelieferten Daten vertrauliche Informationen befunden haben, dürfte sich jemand im BIT der Amtsgeheimnisverletzung schuldig gemacht haben.
Rechtsdienst mit Aufklärung betraut
In dieser Frage will Keller-Sutter nun offensichtlich reinen Tisch machen. Die St. Gallerin hat das Finanzdepartement (EFD) Anfang Jahr von Ueli Maurer (72) übernommen – und somit auch die Zuständigkeit fürs BIT.
Mit der Untersuchung, über die der «Tages-Anzeiger» zuerst berichtet hatte, soll der Rechtsdienst des Generalsektretariats des EFD abklären, wie es zur umfassenden Datenherausgabe kommen konnte. Zudem sollen BIT-intern Prozesse überprüft und geschaut werden, ob diese allenfalls anzupassen sind. Weitere Details kommuniziert das EFD nicht, weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt.
Er versprach sorgfältigen Umgang
Marti hatte beim BIT Anfang September 2021 die Herausgabe von Laueners Mailverkehr für den Zeitraum vom 7. Oktober bis 15. November 2020 verlangt. Er war eingesetzt worden, um herauszufinden, wie es rund um die Crypto-Affäre zu den Leaks an die «NZZ» und den «Tages-Anzeiger» kommen konnte. Diese hatten vorab aus einem vertraulichen Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation zitiert.
Als er weit mehr Lauener-Mails bekam, machte Marti das Bundesamt sogar darauf aufmerksam. Und versprach, er werde sorgfältig damit umgehen. Die Verantwortung für den Vorgang, so versicherte er, liege bei ihm.
Auch Swisscom lieferte alles
Doch nicht nur das BIT hatte Sonderermittler Marti den gesamten Inhalt der Mailbox ausgehändigt. Auch die Swisscom lieferte ihm alle vorhandenen Mails aus Laueners Privat-Account. Wie beim BIT stellt sich auch hier die Frage nach der Rechtmässigkeit der umfassenden Datenlieferung.
Marti forderte Ende Januar 2022 Laueners private Mails von der Swisscom an. Und diesmal nicht bloss für jene sechs Wochen rund um die Crypto-Leaks, sondern gleich von Anfang Oktober 2021 bis zum 27. Januar 2022.
Warum dehnte Marti die Zeitspanne aus?
Diese lange Zeitspanne dürfte den zweiten ausserordentlichen Staatsanwalt Stephan Zimmerli interessieren. Zimmerli wurde eingesetzt, um das Vorgehen Martis zu überprüfen. Es stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage dieser sich an die Swisscom gewandt hatte, denn die Crypto-Affäre war Mitte November 2021 schon gelaufen.
Hatte Marti Lauener schon wegen mutmasslicher Indiskretionen im Zusammenhang mit Corona im Visier? Wenn ja, ist auch hier die rechtliche Grundlage wacklig. Denn dafür hatte der Sonderermittler im Januar 2022 noch gar keine Berechtigung. Diese beantragte er erst am 4. April 2022, neun Tage später erhielt er sie von der Aufsicht über die Bundesanwaltschaft (AB-BA).
Belastung für das Verfahren
Dass dann auch die Swisscom – wie zuvor schon das BIT – gleich alle möglichen Mails lieferte, erhöht die Zahl der möglichen Fehler im Verfahren weiter. Die Swisscom nimmt zum Fall keine Stellung. Peter Lauener hat die Mails siegeln lassen. Marti darf sie somit momentan nicht verwenden.
Weil die «Schweiz am Wochenende» Auszüge aus den Einvernahmeprotokollen publik gemacht hatte, wurden die Mails trotzdem bekannt. Die Zeitung machte öffentlich, dass es während der Covid-Pandemie einen regen Mail-Austausch zwischen Lauener und Marc Walder (57) gab. Walder ist der Chef des Ringier-Verlags, der auch den Blick herausgibt.
Noch ist unklar, ob Lauener mit den Mails an die Ringier-Chefetage und bei seinem Austausch mit anderen Verlagen das Amtsgeheimnis verletzt hat oder nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung – auch für Marti sowie die Verantwortlichen beim BIT und der Swisscom.
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