Es war frühmorgens am 17. Mai 2022, als die Polizei an der Wohnungstür in einem Stadtberner Quartier klingelte. «Mitkommen!», wiesen die Polizeikräfte Peter Lauener (52) an. Der damalige Sprecher von Gesundheitsminister Alain Berset (50) wurde vorläufig festgenommen und schmorte vier Tage lang hinter Gittern, wie verschiedene Medien berichteten.
Blick schwieg – zwangsweise. Gegen mehrere Angestellte des Ringier-Verlags, der neben dem Blick beispielsweise auch den SonntagsBlick herausgibt, bestand ein juristischer Maulkorb, so auch gegen Journalisten (siehe Box). Ein bemerkenswerter Umstand in einem Rechtsstaat.
Sonderermittler Peter Marti (72) hat den Ringier-Verlag und verschiedene Personen mit einem Maulkorb belegt. Niemand, der im Konzern übers Strafverfahren Bescheid wusste, durfte sich dazu äussern.
Das galt auch für eine kleine Zahl von Journalisten der Blick-Gruppe. Dank der hartnäckigen Recherchen verschiedener anderer Schweizer Journalistinnen und Journalisten wurden in den letzten neun Monaten die Hintergründe der Affäre dennoch publik.
Sonderermittler Peter Marti (72) hat den Ringier-Verlag und verschiedene Personen mit einem Maulkorb belegt. Niemand, der im Konzern übers Strafverfahren Bescheid wusste, durfte sich dazu äussern.
Das galt auch für eine kleine Zahl von Journalisten der Blick-Gruppe. Dank der hartnäckigen Recherchen verschiedener anderer Schweizer Journalistinnen und Journalisten wurden in den letzten neun Monaten die Hintergründe der Affäre dennoch publik.
Terror?
Peter Lauener habe Angriffe auf die verfassungsmässige Ordnung herbeiführen wollen, so der Vorwurf, den Medien zutage förderten. Ein Verstoss gegen Artikel 275 des Strafgesetzbuchs. Eine drastische Anschuldigung!
Lauener solle Ringier Informationen zur Publikation geliefert haben, dank derer der Bundesrat keine andere Wahl hatte, als die Corona-Massnahmen umzusetzen. Hinter dem harmlos klingenden Vorwurf der verfassungsmässigen Ordnung verbirgt sich aber viel mehr. Es geht faktisch um einen Regierungsumsturz. Die Rede ist umgangssprachlich vom Terrorartikel.
Keine Ermächtigung
Die implizite, happige Anschuldigung ist so weitreichend, dass Sonderermittler Peter Marti (72) die Ermächtigung durch den Bundesrat gebraucht hätte. Diese gibt es aber nicht.
Doch wie kam der ehemalige SVP-Oberrichter Marti auf Lauener? Marti hatte herauszufinden, wie es in der Crypto-Affäre zu Leaks an die «NZZ» und den «Tages-Anzeiger» kam.
Weil es in Martis Augen eine Nähe von SP-Bundesrat Berset zu den Tamedia-Zeitungen gab, sei Marti bei dessen Sprecher gelandet, heisst es.
Klar ist: Marti verlangte beim Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) Laueners Mailverkehr vom 7. Oktober bis 15. November 2020.
Amtsgeheimnisverletzung im BIT?
Doch was erhielt er vom BIT? Den gesamten Mailverkehr, der sich in Laueners Mailbox angesammelt hatte. Möglicherweise auch geheime Inhalte. Das legt nahe, dass sich Verantwortliche im BIT einer Amtsgeheimnisverletzung schuldig gemacht haben könnten.
Sonderermittler Marti machte das BIT darauf aufmerksam, dass er vom Bundesamt weit mehr Daten erhielt als im September 2021 angefordert. Er werde sorgfältig damit umgehen, versprach er und informierte, dass die Verantwortung für den Vorgang beim BIT läge.
Obwohl er wusste, dass er unrechtmässig an zu viele Mails gelangt war, konfrontierte Marti Peter Lauener, aber auch Bundesrat Alain Berset bei Einvernahmen mit den Mails des Ex-Sprechers.
Lauener erfuhr erst da, dass Marti sich seine E-Mails besorgt und diese ausgewertet hatte. So wurde Lauener wohl das rechtliche Gehör verwehrt. Erst ab da konnte Ex-Kommunikationschef Lauener die Mails siegeln lassen.
Bekannt ist nun, dass es einen Austausch gegeben haben soll zwischen Lauener und Ringier-Chef Marc Walder (57). Noch ist offen, ob Lauener dabei Amtsgeheimnisse ausgeplaudert hat.
Viel Arbeit für Zimmerli
Berset und der Bundesrat liessen Vizekanzler André Simonazzi (55) eine Erklärung verlesen, wonach der SP-Magistrat den anderen Bundesräten versichert hat, nichts von Laueners Austausch mit Walder gewusst zu haben.
Laut Blick-Informationen pflegten Lauener und Berset während Corona auch zu anderen Verlagen regen Kontakt. Ob es im Austausch mit Ringier zu Gesetzesverstössen kam, untersucht Marti.
Viel Arbeit dürfte auch der zweite Sonderermittler Stephan Zimmerli haben, der untersucht, ob Marti überbordete, als er Lauener verhaften liess. Jedenfalls sahen die Gerichte keinen Anlass dazu und verwehrten Marti, Lauener in U-Haft zu nehmen.
Ein dritter ausserordentlicher Staatsanwalt wird zudem eingesetzt, um das Leak der Einvernahmeprotokolle an die «Schweiz am Wochenende» zu untersuchen. Die parlamentarischen Geschäftsprüfungskommissionen haben zudem die Arbeit aufgenommen.
Indiskretionen sind in Bundesbern an der Tagesordnung. Ob Lauener das Amtsgeheimnis verletzt hat, werden die Gerichte entscheiden – ob andere sich inkorrekt verhalten haben, ebenfalls.