Weniger als ein Jahr im Amt, war die Waadtländer Regierungsrätin Valérie Dittli (30, Mitte) mit einem Vorwurf konfrontiert, der sie als Finanzdirektorin hart traf. Die gebürtige Zugerin hat jahrelang in Lausanne gearbeitet und politisiert, aber im Kanton Waadt bis heute keine Steuern gezahlt.
Bis auf die Zeit des Gemeinderat-Wahlkampfs in Lausanne behielt sie ihren Wohnsitz in Oberägeri ZG, dem Ort, in dem sie aufgewachsen ist. Das Westschweizer Fernsehen RTS, das über die Steueraffäre berichtet hatte, warf Dittli vor, getrickst zu haben, um Steuern zu sparen.
Persilschein für Dittli
Doch ein unabhängiges Gutachten kommt nun zum Schluss: Valérie Dittli hat sich nichts zuschulden kommen lassen. Es sei völlig korrekt, dass sie von 2016 bis 2021 im Kanton Zug und nicht in der Waadt Steuern gezahlt hat, stellte der Genfer Anwalt und Steuerrechtsexperte Daniel Schafer an einer Medienkonferenz fest. «Es ist legitim, dass sich Frau Dittli in all dieser Zeit als Zugerin betrachtet hat.»
Schafer verweist auf die Rechtssprechung des Bundesgerichts. Demnach wird bei unter 30-jährigen Ledigen in der Regel davon ausgegangen, dass sie noch stärkere Bindungen zum Wohnort der Familie als zum Arbeitsort haben – und folglich wird ersterer als Hauptwohnort betrachtet. Dittli war während der besagten Zeit jünger als 30 Jahre.
«Herz kann an zwei Orten sein»
Aber auch andere Faktoren als das Alter sprächen für den Steuersitz Oberägeri. Der Anwalt erwähnt unter anderem die Tatsache, dass Dittlis Hausarzt im Kanton Zug war, sie an der Uni Lausanne auf Deutsch arbeitete und während der gesamten Periode ein 2.-Klass-Generalabonnement besessen habe.
Dittli nahm das Fazit des Anwalts mit Genugtuung zur Kenntnis. Man stelle sich vielleicht die Frage, wo ihr Herz sei. «Ich habe ein so grosses Herz, dass es an zwei Orten sein kann.» Das Gutachten belege, dass ihre Steuersituation zwischen 2016 und 2021 «immer komplett legal» gewesen sei. Sie unterstrich, dass diese Beurteilung identisch ist mit dem Urteil eines zweiten Gutachtens, das sie selbst in Auftrag gegeben hatte.
Dittli verteidigte sich
Dittli hatte bereits bei Bekanntwerden der Vorwürfe beteuert, stets darum bemüht gewesen zu sein, alles korrekt zu machen. Ihr Fall zeige die grosse interkantonale Mobilität, die nun mal Realität sei, sagte sie nun. Diese Mobilität schätze sie. Sie wiederholte mit Vehemenz ihre Verbundenheit mit dem Kanton Waadt. «Lausanne ist die Stadt, in der mein politisches Engagement seinen Anfang nahm.»
In den vergangenen zwei Wochen habe sie enorm viel Solidarität gespürt. Sie werde ihr Amt weiterhin voller Entschlossenheit und Leidenschaft führen, sagte sie.
«Missgeschick» mit Doktortitel
Dittli bezog auch Stellung zu einem zweiten Vorwurf, der in den vergangenen Wochen geäussert wurde. Sie hat sich unter anderem auf Social Media mit dem Doktortitel geschmückt, obwohl sie das eigentlich noch nicht dürfte. So hat sie zwar ihre Dissertation abgeschlossen, jedoch noch nicht – und das ist laut Reglement ein Muss – die Arbeit der Bibliothek zur Verfügung gestellt.
Die Mitte-Politikerin bezeichnet dies als «Missgeschick». Seit ihrer Wahl in den Regierungsrat habe sie fast keine Zeit gehabt und sei darum nicht dazu gekommen, begründet Dittli. «Meine Dissertation wird derzeit veröffentlicht und kann ab April 2023 eingesehen werden.»