Valérie Dittli (30) kennt als Finanzministerin des Kanton Waadt das Steuersystem der Schweiz bestens. Wie nun das Schweizer Radio und Fernsehen (RTS) herausfand, hat Dittli jedoch noch nie Steuern an den Kanton bezahlt, in dem sie seit 2016 lebt.
Wie kommt es, dass diese Politikerin von ihrem Kanton nicht besteuert wird, obwohl sie seit fast sechs Jahren dort lebt und politisch engagiert ist? Die Antwort ist einfach: Dittli hatte bis vor kurzem ihren Hauptwohnsitz im Kanton Zug, in der Gemeinde Oberägeri, wo sie ursprünglich herstammt, beibehalten.
Sie verlegte Wohnsitz hin und her
Die Mitte-Politikerin wurde 2016 von der Universität Lausanne als Assistenzdoktorandin in Rechtswissenschaften angestellt und arbeitete dort vier Jahre lang. In diesen Jahren engagierte sie sich aktiv in der Politik, wo sie Präsidentin der waadtländischen Sektion der Mitte-Partei wurde. Im April 2022 wurde Dittli in den Waadtländer Regierungsrat gewählt.
Die ganze Zeit über lebte Dittli auf dem Papier in der Zuger Gemeinde. Mit einer Ausnahme im Jahr 2021: Damals verlegte sie ihren Hauptwohnsitz vorübergehend nach Lausanne, um für die Gemeindewahlen zu kandidieren. Sie scheitert an der Wahlurne und verlegt fast unmittelbar danach ihren Hauptwohnsitz wieder nach Zug, berichtet RTS.
Das Hin und Her endete im Januar 2022, als sie offiziell ihren Hauptwohnsitz wieder in die olympische Hauptstadt Lausanne verlegte. Im Juli 2022 trat sie ihr Amt als Waadtländer Finanz- und Landwirtschaftsdirektorin an, ohne davor je ein politisches Amt bekleidet zu haben.
Die Schweizer Medienlandschaft beklatschte ihre Wahl, denn Dittli gilt als eine der jüngsten Mitglieder einer Kantonsregierung überhaupt. Gefeiert wurde sie aber auch, weil sich mit ihrer Wahl die Bürgerlichen nach über zehn Jahren die Mehrheit in der Waadt zurückholten. Auch ihre Schwester wurde ein halbes Jahr später in den Regierungsrat in Zug gewählt. Die Schwestern galten als Senkrechtstarterinnen in der Politik.
Bis 20'000 Franken gespart
Nach Schätzungen von RTS könnte Dittli, die während ihrer vierjährigen Doktorarbeit ein durchschnittliches Gehalt von 4500 Franken pro Monat bezog, bis zu 20'000 Franken gespart haben, indem sie im Kanton Zug statt im Kanton Waadt besteuert wurde. Diese Schätzung wurde mit dem «Swiss tax calculator», einem vom Bund entwickelten Online-Simulator, durchgeführt.
Und was sagt die Dittli dazu? Sie weist die Anschuldigungen zurück. Diese Fragen seien privat, sagte sie in der Sendung «Forum». «Wir sprechen über mein Leben als Studentin, Doktorandin, Praktikantin, in einem Alter, in dem man sich noch sucht, in dem alles offen ist.»
Die Politikerin widerspricht zudem, dass sie ein Steuertrickli angewendet habe: Während ihres Anwaltspraktikums in Bern wären die Steuern im Kanton Waadt günstiger ausgefallen als im Kanton Zug, sagte sie in der Sendung. Damals habe sie nur 1700 Franken verdient.
Zum Abschluss ihrer Verteidigung wandte sich die Waadtländer Finanzministerin an die Schweizer Bevölkerung: «Ich wünsche mir, dass jeder Steuerzahler seine Steuern dort bezahlt, wo er seinen Lebensmittelpunkt sieht.» (sie)