Vorwürfe gegen neue SVP-Nationalrätin
Plagiatsjäger ist hinter Dr. Nina Fehr Düsel her

Am Montag beginnt ein neuer Lebensabschnitt für Nina Fehr Düsel: Sie nimmt ihr neues Mandat als SVP-Nationalrätin wahr. Nun könnte sie die Vergangenheit einholen. Ihre Dissertation ist ins Visier eines Plagiatsjägers geraten.
Publiziert: 02.12.2023 um 00:56 Uhr
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Aktualisiert: 02.12.2023 um 10:04 Uhr
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Die neu in den Nationalrat gewählte Nina Fehr Düsel machte Wahlwerbung mit ihrem Doktortitel.
Foto: Zvg
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Am Montag wird Nina Fehr Düsel (43) ihre Arbeit als SVP-Nationalrätin aufnehmen. Entweder schwört sie «vor Gott dem Allmächtigen, die Verfassung und die Gesetze zu beachten» sowie die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft zu erfüllen – oder sie lässt Gott weg und gelobt das nur. Jedenfalls verspricht sie, gewissenhaft zu arbeiten.

Just diese Gewissenhaftigkeit wird bei Doktor Nina Fehr Düsel infrage gestellt. Und zwar genau beim Doktortitel, mit dem die Zürcherin Wahlkampf betrieb. Zu hinterfragen, ob die Politikerin diesen Titel zu Recht trägt, liess Fehr Düsel Blick gerichtlich untersagen. Und zwar schon, bevor der Artikel geschrieben war.

Maulkorb für Blick

Am 27. Oktober erhielt Blick Post vom Bezirksgericht Meilen ZH. Darin untersagte das Gericht Blick mit einer superprovisorischen Verfügung, über Vorwürfe an die Adresse von Fehr Düsel zu schreiben. Richterin Verena Seiler verbot Blick «bis auf Weiteres, direkt oder sinngemäss zu behaupten», bei Fehr Düsels Dissertation handle es sich um ein Plagiat. Gegen diesen Maulkorb wehrte sich Blick gerichtlich.

Mit Entscheid vom 28. November, also einen Monat nach dem Schreibverbot, hat Blick nun den gerichtlichen Segen, das zu tun, was Blick auch ohne die superprovisorische Verfügung getan hätte: Er darf die aktuelle Faktenlage wiedergeben.

Plagiatsfragmente

Schliesslich ist inzwischen öffentlich, dass Plagiatsforscher Stefan Weber (53) Fehr Düsel in einem Gutachten vorwirft, in ihrer Dissertation an zahlreichen Stellen unsauber gearbeitet zu haben. Weber schreibt von 31 «Plagiatsfragmenten».

Publik ist das nicht nur, weil die «NZZ am Sonntag» darüber berichtete, sondern auch, weil die Neo-Nationalrätin selbst tat, was sie Blick verbieten lassen wollte: Auf ihrer Website schrieb sie über die Vorwürfe – aus ihrer Sicht: «Meine Dissertation ist kein Plagiat, sondern eine wissenschaftliche Arbeit, an der ich, neben meiner beruflichen Tätigkeit, während sechs Jahren arbeitete.» Ähnlich hat sich Fehr Düsel auch Blick gegenüber geäussert.

«Kleinere Fehler»

Wie Nina Fehr Düsel einräumt, sei klar, dass bei einem 220-seitigen Werk sehr wenige kleinere Flüchtigkeitsfehler in Fussnoten vorkommen können. Der frühere Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer (80) gibt dennoch zu bedenken, was der «Kodex zur wissenschaftlichen Integrität» besagt. Darin heisst es, dass ein Plagiat vorliegen könnte, wenn Arbeiten von Dritten, mit leichten Adaptierungen oder Übersetzungen, ohne korrekte Angabe der Quelle verwendet werden.

Fehr Düsel wiederum bezeichnet Weber auf ihrer Website als «umstritten». Fakt ist: Er ist der bekannteste Plagiatsjäger im deutschsprachigen Raum. Die Liste der Persönlichkeiten, denen er vorwirft, sich die Formulierungen anderer zu eigen gemacht zu haben, ist lang. Die prominenteste Person darauf ist die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (42). Sie hat ihr Buch, in dem sie abgeschrieben haben soll, zurückgezogen.

Weber legt in seinem Gutachten dar, weshalb er bei Fehr Düsels Dissertation «Vorvertragliche Anzeigepflicht – Konsequenzen für den Versicherer» zu einem «schwerwiegenden Plagiatsverdacht» gelangt. In seinem Gutachten verweist er auf diverse wörtliche Textübernahmen ohne Quellenangabe.

Beispiele

Auf Seite 44 schreibt Fehr Düsel ohne Quellenangabe: «Die Antworten stellen eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung über Gefahrstatsachen dar.»

Gemäss Gutachten wurde hier fast wörtlich aus dem Original von 2005, Seite 3, von André Largier abgeschrieben: «Diese Antworten stellen eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung über Gefahrstatsachen dar.»

Oder auf Fehrs Seite 84: «Es gibt meiner Ansicht nach keinen Grund, den Versicherer dem absichtlich täuschenden Versicherungsnehmer gegenüber durch Anwendbarkeit des VVG schlechter zu stellen, als dies bei Anwendbarkeit des OR gegeben ist.»

Stephan Fuhrers Original: «Es gibt jedoch keinen Grund, den Versicherer dem absichtlich täuschenden Versicherungsnehmer gegenüber schlechter zu stellen, als er bei Anwendbarkeit des OR stünde.»

Hier weist sie Fuhrers Aussagen als eigene Ansicht aus. So gibt sie zu verstehen, dass es sich an dieser Stelle um eigene Überlegungen handle.

Uni nimmt Vorwürfe ernst

Doch wie sieht die Universität Zürich die Vorwürfe? Sie nehme prinzipiell alle Meldungen über mutmassliches wissenschaftliches Fehlverhalten ernst und prüfe diese, schrieb sie Blick.

Nicht alle Plagiatsvorwürfe Webers führten dazu, dass Dissertationen kassiert wurden. Die österreichische Ex-Bundesministerin Christine Aschbacher (40, ÖVP) beispielsweise trat aber nach Webers Vorwürfen zurück.

Auch bei Nina Fehr Düsel ist offen, zu welchem Schluss die Universität Zürich kommt. Die Medien jedoch dürften sie nun ohnehin genau beobachten.

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