Vorkampagne soll Puls fühlen
Mitte will mit zwei Initiativen gegen Heiratsstrafe kämpfen

Mit gleich zwei Initiativen will die Mitte erneut der Heiratsstrafe den Kampf ansagen. Diesmal aber ohne das konservative Ehebild – und ohne das Wort Heiratsstrafe.
Publiziert: 08.04.2022 um 12:01 Uhr
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Die Mitte – im Bild Parteipräsident Gerhard Pfister – testet gerade den Wasserstand für zwei Initiativen, die Ende Mai lanciert werden sollen.
Foto: keystone-sda.ch
Gianna Blum und Ruedi Studer

«Ja, ich will», flankiert von zwei Eheringen: Seit Freitagmittag wirbt die Mitte-Partei mit diesem Sujet auf sozialen Medien.

Auch wenn die Kampagne für die gleichgeschlechtliche Ehe letztes Jahr mit genau demselben Slogan auftrat, handelt es sich nicht um eine verspätete Werbung der Ehe für alle. Vielmehr hat die Partei zwei Initiativen im Köcher, die auf Benachteiligungen der Ehegatten zielen: bei den Steuern und bei der AHV-Rente.

Heirat soll keine Strafe sein

Die Mitte zielt damit auf ein altbekanntes Thema: die sogenannte Heiratsstrafe. Diese trifft Ehepaare etwa bei den Steuern. Weil die jeweiligen Einkommen zusammengerechnet werden, ist die Steuerbelastung häufig höher, als es für Einzelpersonen der Fall ist.

Die gemeinsame Besteuerung von Ehepaaren – und damit auch die Verankerung der Familie in der Verfassung – will die Mitte auch künftig beibehalten. Allerdings mit dem Zusatz, dass daraus keine Benachteiligung entstehen dürfte.

Ehe als Steuervorteil

Umgesetzt werden soll das, indem man sich an der direkten Bundessteuer für Unverheiratete orientiert, wie Christina Bachmann-Roth (38), Präsidentin der Mitte-Frauen erklärt. «Es wird berechnet, was ein Ehepaar als Konkubinatspaar bezahlen müsste. Angewendet wird dann der jeweils tiefere Steuersatz.»

Künftig sollen also Unverheiratete das Nachsehen haben? Nein, findet Bachmann. «Ehepaare werden gegenüber Konkubinatspaaren nicht bevorteilt.» Der Unterschied sei einfach, dass die Steuerbehörden den jeweils tieferen Steuersatz anwenden würden, und nicht per se den gemeinsamen für Ehepaare. «Schliesslich steht Konkubinatspaaren die Ehe offen.»

Als Anti-Individualbesteuerung will Bachmann die Initiative nicht sehen. Letztere ist aktuell in Diskussion, zusätzlich sammeln auch die FDP-Frauen Unterschriften für eine Initiative. «Die Individualbesteuerung würde das Diskriminierungsproblem auch lösen», räumt Bachmann ein. «Unsere Lösung hat aber den Vorteil, dass sie nicht das ganze Steuersystem auf den Kopf stellt und weniger administrativen Aufwand bedeutet.»

Kein Rentendeckel für Ehepaare

Mit der zweiten Initiative zielt die Mitte auf die Ungleichbehandlung bei der AHV-Rente. Unverheiratete erhalten diese separat – eine Einzelrente beträgt maximal 2390 Franken. Bei unverheirateten Paaren liegen also bis zu 4780 Franken monatlich drin.

Bei Ehepaaren hingegen ist die Rente beim 1,5-fachen einer Einzelrente gedeckelt. Ein Ehepaar erhält also maximal 3585 Franken. Ein Unterschied von über 1000 Stutz!

«Das ist ungerecht», sagt die Luzerner Kantonsrätin und Parteipräsidiums-Mitglied Karin Stadelmann (36). «Es gibt Paare, die sich im Alter scheiden lassen, nur weil sie so finanziell besser durchkommen.» Grundsätzlich sollen beide Ehepartner eine «vollständige» Rente erhalten, fordert deshalb die zweite Initiative. Ein Rentendeckel wäre nicht mehr zulässig.

«Die jetzige Regelung bildet die heutige Realität nicht mehr ab», sagt Stadelmann. Damit meint sie das einstige Rollenbild mit dem Mann als Verdiener und der Frau als Hausfrau. «Heute sind oft beide arbeitstätig, das muss sich auch bei den Renten widerspiegeln.»

Allerdings ist die Anpassung nicht gratis zu haben. «Erste Berechnungen zeigen, dass sich die Kosten auf zwei Milliarden Franken jährlich belaufen. Das können wir uns leisten», ist Stadelmann überzeugt. «Wenn wir das Steuersystem anpassen, werden insbesondere Frauen stärker am Erwerbsleben teilnehmen – das bringt der AHV auch Mehreinnahmen.» Ansonsten liessen sich die Zusatzkosten über Mehrwertsteuer- oder Lohnprozente finanzieren. Zudem soll auch die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 die AHV-Kasse entlasten.

Lancierung erst im Mai

Es ist nicht das erste Mal, dass die Mitte auf die Heiratsstrafe abzielt. Die damalige CVP kam 2016 allerdings ins Kreuzfeuer der Kritik, weil sie mit ihrer Initiative zur Heiratsstrafe-Abschaffung die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definieren wollte. Das Bundesgericht annullierte die Abstimmung letztlich wegen fehlerhaften Informationen seitens des Bundesrats, die Mitte verzichtete auf eine Neuauflage zugunsten der neuen Initiativen.

Dass das Wort Heiratsstrafe nicht mehr verwendet wird, ist kein Zufall, so Bachmann. «Schliesslich ist die Ehe auch keine Strafe.» Es gehe rein darum, die Diskriminierung aufzuheben – und neuen, alternativen Lebensmodellen gerecht zu werden.

Noch sind die Zwillingsinitiativen nicht lanciert. Mit der Unterschriftensammlung wird es wohl erst gegen Ende Mai losgehen, heisst es beim Generalsekretariat. Bei der Vorkampagne gehe es vielmehr darum, interessierte Kreise ausserhalb der eigenen Parteibasis anzubinden.

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