Vor Studenten muss der Bundespräsident Stellung zur «Kriegsrausch»-Kritik nehmen
Berset zeuselt – und macht Rückzieher

Mit seiner Aussage, es herrsche «Kriegsrausch», hat Alain Berset nicht nur Parteigenossen vor den Kopf gestossen. Zwei Tage nach den harsch kritisierten Aussagen trat der Bundespräsident an der Uni St. Gallen auf. Und musste erstmals Stellung beziehen.
Publiziert: 14.03.2023 um 23:08 Uhr
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Aktualisiert: 15.03.2023 um 09:07 Uhr
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Bundespräsident Alain Berset sprach am Dienstag an der Uni St. Gallen.
Foto: Lea Hartmann
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Vor Hunderten Studierenden konnte Alain Berset (50) kritischen Fragen nicht mehr aus dem Weg gehen. Der Bundespräsident war am Dienstagabend an die Uni St. Gallen (HSG) gekommen, um über die «Welt in der Krise» und die Rolle der Schweiz zu reden. Dabei musste er auch über eine Aussage sprechen, die er in der «NZZ am Sonntag» zum Ukraine-Krieg gemacht hatte und die weit über die Landesgrenzen hinaus für Empörung sorgt.

Berset hatte von einem «Kriegsrausch» gesprochen, den er «in gewissen Kreisen» spüre. Ohne näher darauf einzugehen, in welchen. Zudem sprach er sich für Friedensverhandlungen mit Russland aus – «je früher, desto besser». Parlamentarierinnen und Parlamentarier, ausser jene der SVP, zeigten sich entsetzt. Selbst die eigene Partei distanzierte sich von Bersets Aussagen.

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Wortwahl sei unglücklich gewesen

Im Uni-Saal musste Berset Stellung zu seinen harsch kritisierten Aussagen nehmen. Während der SP-Bundesrat den Journalisten im Bundeshaus nicht Red und Antwort stehen wollte, konnte er einem HSG-Studenten nicht ausweichen. Was habe er mit seiner «Kriegsrausch»-Aussage sagen wollen, wollte dieser wissen. Von welchen «Kreisen» habe er gesprochen?

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«Das verstehe ich voll und ganz. Viele Länder engagieren sich sehr stark militärisch. Aber es braucht auch noch andere Elemente.»
Alain Berset
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Berset räumte ein, dass die Wortwahl unglücklich gewesen sei. Angesichts der Reaktionen könne man die Frage stellen, ob er sich richtig ausgedrückt habe, so Berset. Um daraufhin klarzustellen: «Was ich sagen wollte: Ich hatte sehr viele Kontakte in den letzten Wochen, vor allem international.» Dabei habe er festgestellt, dass die Diskussion fast immer aus einer Kriegslogik heraus geführt werde. «Das verstehe ich voll und ganz. Viele Länder engagieren sich sehr stark militärisch. Aber es braucht auch noch andere Elemente.»

Er sprach damit die Rolle der Schweiz als Depositärstaat der Genfer Konventionen an, die die zentralsten Regeln in Kriegszeiten festhalten. Man müsse auch über den Schutz der Zivilbevölkerung reden, meinte der Innenminister. Hier sehe er eine besondere Rolle der Schweiz, zum Beispiel bei der Minenräumung.

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Eine Erklärung lieferte Berset nicht

Es sind Argumente, die der Bundesrat in diesen Tagen immer wieder hervorholt, um Verständnis für die Haltung der Schweiz zu schaffen. Berset stellte es so dar, als habe er seine «Kriegsrausch»-Aussage rein aufs Ausland bezogen. Dabei hatte er in einem Interview mit «Le Temps», das schon gut eine Woche vor jenem in der «NZZ am Sonntag» erschienen ist, klargemacht, dass er auch die politische Debatte in der Schweiz kritisiert.

Er sei «sehr besorgt über das kriegerische Klima, das derzeit überall auf der Welt herrscht, auch in der Schweiz», hatte er damals gesagt. «Man hat den Eindruck, dass einige Akteure, selbst ehemalige Pazifisten, wie vom Rausch des Krieges mitgerissen werden», liess er sich zitieren.

Die Chance, sich zu erklären, nahm Berset in St. Gallen nicht wahr. Die Schweiz, sagte er zwar, müsse sich immer wieder die Frage stellen, ob sie genug tue, um die Ukraine zu unterstützen. Die Antwort, die er darauf gab, wird jedoch manch einen Parteigenossen gleich noch einmal vor den Kopf stossen: «Wir versuchen alles, was wir können.»

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