Von Greenpeace zur SVP
Haudrauf-Graber gegen das Klimagesetz

SVP-Nationalrat Michael Graber ist erst seit zwei Jahren im Amt – und leitet bereits die Referendums-Kampagne gegen das Klimagesetz.
Publiziert: 23.04.2023 um 10:06 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2023 um 11:58 Uhr
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SVP-Nationalrat Michael Graber leitet die Nein-Kampagne zum Klimagesetz.
Foto: ANDREA SOLTERMANN
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Camilla AlaborRedaktorin

Mittwochabend, der Saal im Restaurant Bellevue in Naters VS ist rappelvoll. Auf der Bühne steht die Hoffnung der Oberwalliser SVP und redet das Klimaschutzgesetz in Grund und Boden. «Dieses Gesetz bringt dem Klima nichts», ruft SVP-Nationalrat Michael Graber (41) in den Saal. «Das Ziel von Netto-Null bis 2050 ist utopisch.» Das Gesetz habe vor allem einen Effekt: «Es wird uns brutal viel kosten!»

Die Energiekosten werden um bis zu 6600 Franken pro Kopf steigen, behauptet Graber. Dazu kämen zwei Milliarden Franken für das Heizersatzprogramm. «Dabei baut schon heute niemand mehr eine Ölheizung ein.»

Graber ausserhalb des Wallis kaum bekannt

Zustimmendes Kopfnicken, kräftiger Applaus. Die Meinungen der Zuschauer, lokale SVP-Mitglieder, sind gemacht. Viel Kosten, keinerlei Nutzen. Ein Heimspiel für Graber.

Noch ist der Haudrauf und Rechtsanwalt ausserhalb des Wallis kaum bekannt. Das dürfte sich in den nächsten Monaten ändern. Die SVP hat Graber zum Kampagnenleiter des «Stromfresser-Gesetzes» gemacht, wie die Partei das Klimagesetz nennt, das am 18. Juni zur Abstimmung kommt. Ein Vertrauensbeweis der Parteispitze. Denn Neuling Graber sitzt erst seit zwei Jahren im Nationalrat.

«Er ist ein Chrampfer und packt an», kommentiert Parteipräsident Marco Chiesa (48) den Entscheid. «Das hat er bewiesen, als er das Referendum zum Stromfresser-Gesetz ins Ziel brachte.»

Interesse an der Politik kam als Zwanzigjähriger auf

Eine Woche zuvor im Bundeshaus, am Rande der Sondersession. Während seiner Jugend habe er sich kaum für Politik interessiert, erzählt Graber mit entwaffnender Offenheit. Dafür sei er ziemlich naturverbunden gewesen. «Es gibt da inkriminierende Fotos von mir in einem Greenpeace-T-Shirt.» Graber grinst. 14 Jahre alt sei er damals gewesen. «Ich hatte schon immer gerne Tiere.» In seinem Kinderzimmer hingen Poster mit Walen drauf.

Politisiert wurde er als Zwanzigjähriger durch die Anschläge aufs World Trade Center, «da wurde mir bewusst, wie fragil unsere freie Gesellschaft ist». Geprägt hat ihn auch die Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat im Jahr 2007. «Das fand ich extrem ungerecht.»

Kurz darauf beschloss Graber, der SVP beizutreten. Sein Vater, strammer CVP-Politiker, hatte daran keine Freude. «Er wollte mich enterben. Und warnte mich, dass ich als SVP-Mitglied im Wallis nicht vorwärtskommen würde.» Graber, der schon damals wenig auf die Meinung anderer gab, widerlegte ihn. Wurde Generalsekretär, dann Grossrat und schliesslich Fraktionschef der SVP Oberwallis.

Von Parteikollegen für seine direkte Art geschätzt

Auch in Bundesbern hat er sich rasch seinen Namen gemacht. In der Partei, als er – kaum gewählt – für statt gegen das Covid-Zertifikat stimmte. Und im Bundeshaus als politischer Haudegen. Denn der Walliser, der auch mal für tierschützerische Anliegen stimmt, polarisiert.

Parteikollegen schätzen Graber für seine direkte, unverblümte Art. «Er ist geradlinig und hält stets Wort», sagt Parteichef Chiesa. In anderen Parteien hingegen sieht man in Graber einen «kompromisslosen Hardliner», wie es eine Nationalrätin formuliert. «Er ist ein Gmögiger», sagt ein anderer. Aber: «Er fühlt sich nicht dafür verantwortlich, eine Mehrheit zu finden, sondern den Walliser Stammtisch zu vertreten.»

Graber würde das wohl als Kompliment nehmen. Die Leitung der Nein-Kampagne zum Klimaschutzgesetz ist der vorläufige Höhepunkt seiner Karriere.

Kann Graber an den Erfolg der SVP anknüpfen?

Doch kann der Jurist wiederholen, was der SVP vor zwei Jahren gelang? Damals hatte die Partei ebenfalls das Referendum gegen eine Klimavorlage ergriffen – und erzielte einen Coup: Das Stimmvolk lehnte das CO₂-Gesetz mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen ab.

Dieses Mal ist die Ausgangslage für die Volkspartei um einiges schwieriger.

Im Sommer 2021 profitierte die SVP von der Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung, die – aufgeschreckt von den Agrar-Initiativen – in hoher Zahl an die Urne pilgerte. Zudem war das bürgerliche Lager gespalten: Teile von FDP und Mitte lehnten das CO₂-Gesetz offen ab.

Das Parlament hat daraus seine Lehre gezogen und mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative eine Vorlage gezimmert, die mit Anreizen statt Abgaben schafft. Über zehn Jahre hinweg sind zwei Milliarden Franken für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen vorgesehen; zudem gibt es einen Topf von 1,2 Milliarden Franken für die Förderung innovativer Technologien in Betrieben. Das Resultat: Mitte und FDP stehen dieses Mal fast geschlossen hinter der Vorlage.

Auch die weltpolitische Lage hat sich verändert. «Der Ukraine-Krieg hat uns vor Augen geführt, wie gefährlich die Abhängigkeit von fossilen Energien ist», sagt Mitte-Politiker Stefan Müller-Altermatt (46).

Immer noch skeptische Stimmen aus dem bürgerlichen Lager

Trotzdem gibt es auch dieses Mal skeptische Stimmen im bürgerlichen Lager. So sprechen sich der Hauseigentümerverband und Gastrosuisse gegen das Klimagesetz aus. Und während sich die Mitte-Partei mit Herzblut für ein Ja engagiert, liegt der Fokus der FDP auf der Vorlage zur OECD-Mindeststeuer. Hinzu kommt die Inflation, die Leute sorgen sich wegen steigender Preise.

Politologe Michael Hermann (51) fasst die Ausgangslage so zusammen: «Die Zustimmung zum Klimagesetz müsste höher ausfallen als beim CO₂-Gesetz – aber sie ist kein Selbstläufer.»

Dessen ist sich Michael Graber bewusst. «Für mich ist das eine Bewährungsprobe», sagt er. «Aber ich kann daran wachsen.»

Das ist nicht falsch. Und trotzdem nur die halbe Wahrheit. Denn egal, wie die Abstimmung ausfällt: Graber wird in den nächsten Monaten auf der nationalen Bühne dauerpräsent sein. Er gehört schon heute zu den Siegern.

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