Am Donnerstag legte die Kommission von Serge Gaillard, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, ihren Bericht zu den möglichen Sparmassnahmen beim Bund vor. Ein Vorschlag dürfte vor allem im Militärdepartement (VBS) von Viola Amherd für Nervosität sorgen. Die Arbeitsgruppe schlägt vor, «Alternative Szenarien für das Armeewachstum» zu prüfen, und stellt damit das Konzept eines Ausbaus des Armeebudgets auf mehr als 1 Prozent des BIP bis 2035 infrage.
Konkret schlägt der Bericht vor, die Armeeausgaben nicht um 6,14 Prozent pro Jahr zu erhöhen, sondern lediglich um 4,25 Prozent. Zudem solle auch das «angestrebte Fähigkeitsprofil» hinterfragt werden. Sprich: Die Armee soll sich einschränken und den Ausbau auf die Bereiche Cyber und Luftverteidigung konzentrieren. Insgesamt würde das Bundesbudget so um mehrere Milliarden Franken bis 2032 entlastet.
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Für Amherd kommt der Bericht zu einem ungünstigen Zeitpunkt, hatte es der Armeeausbau zuletzt doch auch so schon schwer. Zuletzt schickte die Sicherheitskommission des Nationalrats das Geschäft zurück an den Absender. Zwar sei der Ausbau unbestritten, betont Amherd im Interview mit der «Handelszeitung». Doch sei es nun an der Politik, die Finanzierung zu definieren.
Amherd äussert sich auch zum Neutralitätskonzept, das vor einer Woche von der von ihr eingesetzten Kommission präsentiert wurde. Demnach soll die Schweiz von einer absoluten Neutralität zu einem Modus übergehen, in dem auch klar Position gegenüber Aggressoren eingenommen werden kann.
Frau Bundesrätin, Sie haben in ein Wespennest gestochen. Die von Ihnen eingesetzte Studienkommission schlägt vor, die Schweizer Neutralität aufzuweichen.
Ich muss vorausschicken, dass das ein Bericht der Studienkommission war und nicht des VBS.
Man wirft Ihnen vor, dass Sie die Kommission so zusammengesetzt haben, dass die von Ihnen gewünschten Ergebnisse resultierten.
Wenn das so wäre, wäre nicht das eine oder andere Mitglied der Kommission vorzeitig zurückgetreten. Mir war wichtig, die Kommission breit aufzustellen. Ich wollte keine einseitige Diskussion, sondern eine breite gesellschaftliche Abstützung. Jede Fraktion im Bundeshaus konnte selbst ein Mitglied delegieren. Darüber hinaus gab es unterschiedliche Fachvertreter, vom Präsidenten der Offiziersgesellschaft bis zum Friedensforscher. Valentin Vogt als Präsident der Kommission und Katja Gentinetta als Redaktorin des Berichts hatten sicher keine einfache Aufgabe, die Diskussionen zu führen und einen Bericht zu erstellen.
Das Hauptergebnis: näher an internationale Organisationen wie die Nato rücken, keine absolute Neutralität, sondern Unterstützung jener Seite, die moralisch im Recht ist. Wie holen Sie da Parteien wie die SVP ab, die mit einer Initiative das pure Gegenteil fordert?
Die Themen Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik sind so oder so auf dem Tisch. Das müssen wir diskutieren. In Umfragen sagen mehr als 80 Prozent der Befragten, dass sie die Neutralität unterstützen. Aber wenn man fragt, was sie darunter verstehen, erhält man ganz unterschiedliche Antworten. Daher ist es wichtig, eine Diskussion über die Sicherheitspolitik zu führen – und diese Diskussion wird kontrovers sein. Aber das macht auch nichts, denn ohne Kontroversen bräuchten wir das Thema gar nicht erst anzugehen. Die Kommission hat ebenfalls betont, dass sie sich zur Neutralitätspolitik äussere und nicht zum Neutralitätsrecht. Dass wir das Neutralitätsrecht weiterhin einhalten, ist keine Frage. Aber in der Neutralitätspolitik gibt es Handlungsspielraum, und dieser wurde in der Studienkommission diskutiert.
Ist das Ergebnis der Kommission auch Ihr Wunschergebnis?
Ich habe noch nicht alle hundert Empfehlungen studiert! Den Bericht habe ich erst kurz vor der Publikation erhalten – auch weil ich mich im Vorfeld nicht einmischen wollte. Aber gewisse Punkte bestätigen das, was wir bereits heute tun: die internationale Zusammenarbeit mit der Nato, der EU und unseren Nachbarländern. Die Partnerschaft für den Frieden mit der Nato besteht seit 1996.
Bundesrätin Viola Amherd leitet das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und amtiert 2024 als Bundespräsidentin. Die 62-jährige Walliserin vertritt die Mitte-Partei (ehemals CVP) seit 2019 im Bundesrat. Sie hat damals Doris Leuthard abgelöst.
Zuvor sass die Juristin während gut 13 Jahren im Nationalrat. Aufgewachsen ist Amherd in Brig-Glis, wo sie vor ihrer Zeit als Nationalrätin auch als Gemeindepräsidentin amtete.
Bundesrätin Viola Amherd leitet das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und amtiert 2024 als Bundespräsidentin. Die 62-jährige Walliserin vertritt die Mitte-Partei (ehemals CVP) seit 2019 im Bundesrat. Sie hat damals Doris Leuthard abgelöst.
Zuvor sass die Juristin während gut 13 Jahren im Nationalrat. Aufgewachsen ist Amherd in Brig-Glis, wo sie vor ihrer Zeit als Nationalrätin auch als Gemeindepräsidentin amtete.
Ist es gut, sich in Konflikten auf eine Seite zu stellen?
Wir mischen uns nicht in kriegerische Konflikte ein, und das wird auch in Zukunft so bleiben. Die Schweiz steht auf der Seite des Völkerrechts. Diskutiert wird jedoch die Frage des Exports von Kriegsmaterial. Insbesondere die Wiederausfuhrklausel macht uns grosse Probleme mit unseren wichtigsten Partnern. Dies ist ein Nachteil für die Schweizer Rüstungsindustrie. Die Niederlande haben im Parlament eine Motion angenommen, die darauf abzielt, keine Rüstungsgüter mehr aus der Schweiz zu beziehen. Deutschland ist auf dem gleichen Weg. Rheinmetall hat auf der deutschen Seite der Grenze ihre Produktionskapazitäten ausgebaut. Das ist nicht nur für die Schweizer Rüstungsindustrie schlecht, sondern für die Schweizer Wirtschaft insgesamt. Oft entstehen Innovationen in der Rüstungsindustrie, die auch für andere Branchen wichtig sind. Weiter ist das auch für unsere Sicherheit ein Risiko.
Die Schweiz soll jetzt auch an den sogenannten Pesco-Übungen zusammen mit Armeen der EU-Länder teilnehmen. Müssen wir näher an Europa rücken, weil wir Teil von Europa sind?
Die Schweiz liegt inmitten des europäischen Kontinents. Die Verschlechterung der Sicherheitslage auf dem Kontinent betrifft daher auch unser Land, ebenso wie die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Wir sind von hybrider Konfliktführung betroffen, etwa von Desinformation und Cyberangriffen. Die Schweiz darf mitten in Europa kein sicherheitspolitisches Niemandsland sein.
Ist die Schweiz heute ein sicherheitspolitisches Niemandsland?
Die Schweiz ist kein Niemandsland – doch in den letzten dreissig Jahren haben wir die Verteidigungsfähigkeit der Armee vernachlässigt. Wir haben wenig in die Erneuerung der Waffensysteme investiert, wobei das bei den umliegenden Ländern ähnlich war. Das lässt sich mit Blick auf die damalige Sicherheitslage auch nachvollziehen. Nach dem Fall der Berliner Mauer dachte man, es würde nie wieder Krieg auf dem europäischen Kontinent geben, und die Mittel wurden anders alloziert. Doch heute ist die Situation eine andere, und unsere Nachbarländer investieren wieder in ihre Verteidigung. Das tun wir jetzt auch, weil es für unsere Sicherheit notwendig ist. Ebenso wichtig ist die internationale Zusammenarbeit.
Sie haben die Waffenexporte erwähnt. Muss man die Restriktionen so lockern, dass die zuletzt verhinderten Exporte wieder möglich werden?
Der Bundesrat sollte wieder die Kompetenz erhalten, in gewissen Fällen auf das Wiederausfuhrverbot zu verzichten. Einem Rechtsstaat wie Deutschland, der internationales Recht einhält, darf man die Verantwortung überlassen, selber zu entscheiden, was er mit diesen Gütern macht. In solche Länder sollten Exporte aus meiner Sicht möglich sein.
Ist es nicht eine Aufweichung der Neutralität, wenn man Nato-Staaten folgt, die an Konflikten beteiligt sind?
Die Schweiz folgt den Nato-Staaten nicht. Wir mischen uns selbst ja nicht in bewaffnete Konflikte ein. Wenn man Waffen in Länder exportiert, die die gleichen Grundsätze leben wie wir, kann man dem Land den Entscheid überlassen, was es mit diesen Systemen macht.
Schweizer Waffen sind in der Vergangenheit auch schon in Konfliktländern – unter anderem in Bürgerkriegen – aufgetaucht. Dieses Risiko nehmen Sie in Kauf?
Wir würden nicht direkt in ein Land exportieren, das in einen bewaffneten Konflikt oder Bürgerkrieg involviert ist. Aber bei Rechtsstaaten, die nicht in Konflikte involviert sind, könnten wir auf ein Wiederausfuhrverbot verzichten.
Wenn die Schweizer Armee selber einkauft, profitiert die hiesige Wirtschaft von sogenannten Offsetgeschäften. Das prominenteste Beispiel ist der Kampfjet F-35 aus den USA. Wie viele Aufträge sind da schon gesichert?
Diese Beschaffung umfasst ein Offsetvolumen von rund 2,9 Milliarden Franken, von dem inländische Unternehmen und Forschungseinrichtungen profitieren können, wenn sie gute Projekte vorlegen. Lockheed Martin hat bis 2034 Zeit, diese Offsetverpflichtungen zu erfüllen. Gut ein Drittel der Verträge sind schon gemacht, einige sind noch in Erarbeitung. Momentan ist die regionale Verteilung noch nicht so, wie sie sein sollte. Ziel ist, dass 60 Prozent in die Deutschschweiz, 35 Prozent in die Westschweiz und 5 Prozent in die italienischsprachige Schweiz gehen.
Tatsächlich ist das Verhältnis derzeit 98 zu 2 zwischen der Deutschschweiz und der Romandie.
Wir beziehungsweise Armasuisse stehen in ständigem Kontakt mit den Wirtschaftsverbänden in allen Landesteilen. Aber es braucht natürlich auch Unternehmen, die Projektvorschläge einreichen. Wir verordnen das nicht von oben herab.
Derzeit sieht es nicht danach aus, dass Sie Ihre Quote erreichen.
Wir warten nicht einfach darauf, dass sich die Unternehmen melden. Wir zeigen Ihnen auf, in welche Richtung sie gehen können – auch wenn hier eigentlich die Eigeninitiative der Unternehmen gefragt wäre. Es wäre schade, wenn man dieses Volumen nicht nutzen würde. Die Differenz erklärt sich vor allem dadurch, dass es ein grosses Projekt in der Deutschschweiz gibt, für das bereits eine Unterschrift vorliegt: ein Auftrag an SR Technics. Wir sind überzeugt, dass das Ziel erreicht werden kann. Es braucht einfach Initiative und Arbeit. Wir haben noch zehn Jahre Zeit.
Beim Kampfjet soll es Verzögerungen geben. Können Sie den Lieferplan einhalten?
Wir haben keine Meldungen und keine Anzeichen für eine Verspätung der Schweizer F-35A.
Aber man hört, dass die gewünschte Softwarelösung nicht bereit ist und dass der Flieger daher nicht ausgeliefert werden kann.
Wir haben andere Informationen, und was für uns zählt, ist unsere Abmachung mit den USA. Die Lieferungen beginnen wie vereinbart ab 2027 und werden bis 2030 abgeschlossen sein.
Das Armeebudget soll bis 2035 auf 1 Prozent des BIP angehoben werden. Doch unklar ist, woher das Geld kommen soll. Die Sicherheitskommission des Nationalrats hat den Ausbau gestoppt, und die Kommission von Serge Gaillard will offenbar massive Kürzungen beim Armeebudget fordern.
Stand heute ist, dass das Armeebudget bis 2035 auf 1 Prozent erhöht werden soll. Aufgrund der finanziellen Lage hat man dieses Ziel bereits um fünf Jahre aufgeschoben. Dem hat das Parlament letztes Jahr zugestimmt. Inzwischen wurde weitergearbeitet, und der Ständerat hat dann 1 Prozent bis 2030 beschlossen, bei einer Erhöhung des Zahlungsrahmens um 4 Milliarden Franken. Im Nationalrat haben die Kommissionen der Erhöhung um 4 Milliarden zugestimmt, waren sich aber bei der Gegenfinanzierung nicht einig.
Ein nicht unwesentlicher Punkt.
Jetzt müssen wir abwarten, was in der Herbstsession beschlossen wird. Das lässt sich nicht vorhersagen. Zur Debatte stehen verschiedene Möglichkeiten: Sparmodelle, ein Spezialfonds oder eine Mehrwertsteuererhöhung. Ich bin gespannt, was da herauskommt.
Was ist Ihrer Einschätzung nach mehrheitsfähig?
Nach den Diskussionen in der Kommission ist das schwierig zu beurteilen. Allein mit Einsparungen oder ausschliesslich mit Massnahmen auf der Einnahmenseite wird es nicht gehen.
Das wird nicht einfach: Die Bürgerlichen sind gegen Steuererhöhungen und Einsparungen in der Landwirtschaft, die Linke will keine Einsparungen bei Sozialem und bei der Entwicklungshilfe.
Klar ist nur, dass es mehr Mittel geben soll für die Armee. Jetzt müssen wir sehen, ob es dafür eine Lösung gibt. 1 Prozent vom BIP bis 2035 ist in der Finanzplanung des Bundesrats vorgesehen. Alles andere wird sich in der Herbstsession klären.
Müsste man die Aufrüstung von der Schuldenbremse ausnehmen?
Der Bundesrat ist klar der Meinung, dass man die Schuldenbremse beibehalten sollte. Ich sehe nicht, dass sich das ändern wird. Aber ich kann künftige Bundesratsentscheide auch nicht vorwegnehmen.
Die Schweiz will auch Kamikazedrohnen einkaufen. Brauchen wir aufgrund der aktuellen Bedrohungslage wirklich solch offensive Waffensysteme?
Die Bedrohungslage in der Schweiz ist derzeit so, dass wir in verschiedener Hinsicht betroffen sind. Von Cyberattacken, von Desinformationskampagnen und diversen Beeinflussungsaktivitäten sowie von Spionage. Wir sind auch angesichts wirtschaftlicher Instabilitäten betroffen, insbesondere bei den Energiepreisen. Dass die Schweiz konventionell angegriffen wird, ist eher unwahrscheinlich. Aber man kann nichts ausschliessen.
Der Angriff eines Nachbarlands wie Deutschland ist ein Szenario?
Das ist natürlich kein realistisches Szenario. Die Sicherheitslage in Europa hat sich aber seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine massiv verschlechtert, und das betrifft auch die Schweiz. Vor drei Jahren hätte niemand gedacht, dass es einen Krieg auf dem europäischen Kontinent geben könnte, der sowohl mit neuen als auch mit konventionellen Mitteln geführt wird. Deshalb muss sich eine Armee auch auf ihren Kernauftrag, die Verteidigung, vorbereiten. Und ein wichtiger Teil der Verteidigung ist die Abschreckung.
Dazu gehört, beim Nachbarn Ziele zu identifizieren und diesen mit Kamikazedrohnen anzugreifen?
Die Schweiz wird nie angreifen, aber sie wird sich verteidigen, wenn es nötig ist. Dazu gehört auch das Drohnenprogramm der Schweizer Armee. Minidrohnen werden wir gemäss der Armeebotschaft 2024 bereits im nächsten Jahr im Einsatz haben. In erster Linie setzt die Armee Drohnen aber zur Aufklärung ein.
Mehr zur Armee
Ein grosser Teil der Aufklärungsdrohnen für die Schweizer Armee kommt aus Israel. Das Land befindet sich im Krieg und hat einen grossen Eigenbedarf. Begibt man sich da nicht in eine heikle Abhängigkeit?
Der Konflikt im Nahen Osten kann natürlich indirekt Folgen für uns haben. Wenn man mit einem Land Rüstungsbeziehungen hat und das Land im Krieg ist, dann ist klar, dass auch wir betroffen sein können. Die Schweiz ist im Bereich der Drohnentechnologie sehr stark und muss deshalb eigenes Know-how und Produktionskapazitäten ausbauen.
Früher oder später werden die Rüstungsbeziehungen zu Israel gekappt?
So absolut würde ich das nicht sagen. Aber wir müssen in Zukunft dafür sorgen, mit Partnern bestimmte Kapazitäten aufzubauen, für unsere Souveränität und eine gewisse Unabhängigkeit. Wir sind dazu in engem Kontakt mit den Wissenschafterinnen und Ingenieuren der ETH. Aber um es klar zu sagen: Eine völlige Unabhängigkeit vom Ausland wird die Schweiz nie erreichen, in keinem Rüstungsbereich. Wir müssen bei den für uns wichtigen Schlüsseltechnologien einfach den Fuss in der Tür haben.
Nach dem IS und der al-Qaida will der Bundesrat nun auch die Hamas zur Terrororganisation erklären. Müsste man das konsequenterweise nicht auch mit der Hisbollah tun?
Der Bundesrat hat befunden, dass die Hamas das dringlichere Thema ist. Jetzt kümmern wir uns zuerst um das Hamas-Verbot, dann sehen wir weiter. Das muss von Fall zu Fall analysiert werden.
Ist es ein Thema für die Schweizer Neutralität, wie man sich im Nahostkonflikt positioniert?
Die Schweiz hat sich im Nahostkonflikt klar positioniert und steht auf der Seite des internationalen Rechts und des Völkerrechts. Wir anerkennen das Verteidigungsrecht Israels und fordern gleichzeitig, dass das Völkerrecht eingehalten wird. Das ist eine einfache und klare Positionierung.
Die Welt beschäftigen nicht nur klassische Kriege, sondern auch Cyberbedrohungen. Wie gut ist das Land dafür gerüstet?
Wir werden nie sagen können, dass wir alles im Griff haben. Aber die Abwehr funktioniert, das hat die Bürgenstock-Konferenz gezeigt. Da hatten wir es mit vermehrten Cyberangriffen aus Russland auf die Schweiz zu tun. Der Aufbau des Bundesamts für Cybersicherheit (Bacs) hat sich bewährt. Doch es bleibt eine ständige Aufgabe, und wir müssen noch mehr Kapazitäten aufbauen. Der Cyberlehrgang der Armee ist ein gutes Beispiel dafür. Jedes Jahr gibt es neue Absolventen, die als Milizsoldaten für die Cyberabwehr zur Verfügung stehen.
Die Bevölkerung kann also diesbezüglich, dass kritische Infrastrukturen in der Schweiz gut geschützt sind, beruhigt sein?
Die kritischen Infrastrukturen sind gefährdet, und es gibt hier täglich Cyberattacken. In erster Linie sind aber die Betreiber selbst für den Schutz verantwortlich. Die Armee kommt nur subsidiär zum Zug. Das gilt für Cybergefahren genauso wie für Umweltkatastrophen und den Konferenzschutz.
In Ihrer Rolle als Bundespräsidentin haben Sie auch noch das grosse Dossier der Bilateralen auf dem Tisch. Werden Sie in Ihrer Amtszeit noch verkünden können, dass eine Einigung mit der EU erreicht wurde?
Es gab bisher rund hundert Verhandlungsrunden in den verschiedenen Bereichen. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir die Verhandlungen aufseiten der Schweiz und aufseiten der EU bis Ende Jahr abschliessen können. Das ist möglich, aber nicht sicher. Was letztlich stimmen muss, ist die Qualität der Verhandlungsergebnisse.
Ein besonderes Reizthema ist die Personenfreizügigkeit. Hilft es Ihnen, dass die Stimmung in Europa derzeit eher in Richtung weniger offener Grenzen geht?
Ich glaube nicht, dass das einen unmittelbaren Einfluss auf unsere Verhandlungen mit der EU hat. Beide Seiten verhandeln aufgrund ihres jeweiligen Verhandlungsmandates.
Sie waren kürzlich auf Staatsbesuch in der Mongolei. Was haben Sie von dort mitgebracht?
Wir haben sechzig Jahre lang Beziehungen zur Mongolei gehabt. Ich konnte mir verschiedene Projekte des Deza in den Bereichen Demokratie und Institutionen ansehen, nachdem das Deza-Büro diesen Sommer nach zwanzig Jahren dort geschlossen wurde. Das war eine wichtige Aufgabe für ein Land, das sich in einer geopolitisch schwierigen Situation befindet. Es gab erste Parlamentswahlen, und es bleibt für die Schweiz wichtig, die Mongolei bei der Entwicklung ihrer Demokratie weiterhin zu unterstützen.