Es ist der grosse Knackpunkt in der Corona-Krise: Wie lange hat es angesichts der anhaltend hohen Fallzahlen noch freie Intensivbetten in den Schweizer Spitälern? Wann kommt der Moment, in dem Ärzte nicht mehr alle Patienten behandeln können?
Die Corona-Taskforce des Bundes warnt seit Wochen vor dem Schreckensszenario. Auch dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist der Ernst der Lage bewusst. In der Westschweiz sind die Betten bereits knapp. Patienten müssen in andere Spitäler verlegt werden.
Behörden tragen zur Verwirrung bei
Umso besorgniserregender ist da die Antwort auf die Frage: Haben die Behörden wirklich den Überblick über die jeweils freien Betten in den Intensivstationen? Denn es fällt auf: Vor den Medien werden immer wieder andere Zahlen genannt. Mal ist von total 1100 Intensivbetten die Rede, mal sollen es 1400 sein.
Und auf der Internetseite des zuständigen Koordinierten Sanitätsdienstes (KSD) waren bis vor kurzem wieder andere Zahlen zu finden. So waren am Dienstag noch total 1673 Betten aufgeführt, von welchen zu diesem Zeitpunkt 1162 belegt gewesen sein sollen. Alleine mit dem Ausbau der Intensivstationen sind diese Unterschiede nicht zu erklären.
«Zahlenerhebungen sind äusserst schwierig»
Das Verwirrende: Die nationalen Übersichtszahlen passten zudem nicht mit den nach Kantonen aufgeschlüsselten Bettenzahlen zusammen. Jeder meldet andere Zahlen. Mittlerweile ist die nationale Tabelle von der KSD-Internetseite verschwunden.
Der Eindruck eines Zahlen-Wirrwarrs täuscht nicht. «Die aktuelle Lageentwicklung ist dermassen volatil, dass Zahlenerhebungen äusserst schwierig sind. Wir haben das bemerkt», sagt Daniel Reist vom Verteidigungsdepartement, dem der KSD angegliedert ist. Daher sei am Freitag entschieden worden, dass die bisherigen Listen zu den Intensivbetten vorläufig von der Internetseite gelöscht werden. Zahlen soll nur noch das BAG veröffentlichen.
Ärger über gelieferte Zahlen
Offiziell wollen sich die verschiedenen Stellen nicht gegenseitig auf die Füsse treten. Hinter vorgehaltener Hand aber machen Bundesbeamte ihrem Ärger Luft über die Kantone und Spitäler. Diese würden immer wieder unterschiedlichste Zahlen liefern, die einen aktuellen Überblick über die verfügbaren Intensivbetten verunmöglichten.
Noch sind auf der Internetseite des BAG keine aktuellen Bettenzahlen zu finden. Von dem Bundesamt war auf mehrfache Anfrage keine Stellungnahme zu erhalten. Die Behörden scheinen zumindest kurzfristig vor dem Zahlen-Chaos kapituliert zu haben.
Dabei wäre die Erhebung durchaus wichtig, wie der KSD selber schreibt: «Die erhobenen Informationen unterstützen die Lagebeurteilung auf Stufe Bund und erlauben einen regionalen bis nationalen Ausgleich der Auslastung der Spitäler.»
Klar ist derzeit einzig: Auch wenn die Fallzahlen nicht mehr ganz so stark steigen, bleibt die Situation auf den Intensivstationen angespannt. Alleine am Montag wurden für das vergangene Wochenende erneut 536 neue Spitaleinweisungen vermeldet.