Bundesrat Alain Berset (48) predigt es seit Tagen: Es müssen alle Spitäler nicht dringliche Operationen verschieben – die sogenannten Wahleingriffe –, um einer Überlastung des Gesundheitswesens vorzubeugen. Im Westschweizer Fernsehen RTS vom Donnerstagabend wird er nun direkt: Der Mahnfinger geht an die Deutschschweiz.
«Man kann nicht das ganze Jahr den Föderalismus loben und dann im Ernstfall nicht mitmachen», sagt der Gesundheitsminister. Die Romandie sei darauf angewiesen, Patienten verlegen zu können. «Schweizweit ist ein Drittel der Intensivplätze frei», so Berset. Das sei aber nicht der Fall in Genf, Freiburg oder Lausanne – darum brauche es jetzt Solidarität. Die Kantone hätten immer gesagt, sie seien fähig, die Krise zu meistern. «Dann sollen sie das auch tun!», fordert Berset. Und flucht: «J'allais dire nom d'un chien!» – etwa übersetzbar mit «verflucht noch mal!»
Zürich bleibt bockig
Bersets Mahnfinger dürfte sich vor allem auch an Zürich richten – denn der bevölkerungsreichste Kanton verweigert bislang den Befehl aus Bundesbern. Im «Tages-Anzeiger» lässt sich Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (43) zitieren: «Es ist derzeit nicht nötig, alle elektiven Eingriffe abzusagen. Die Zürcher Spitäler reagieren flexibel nach Bedarf.» Und auch der Kanton Thurgau sieht laut den Zeitungen von «CH Media» vom Mittwoch vorerst keinen Anlass, seinen Spitälern Wahleingriffe zu verbieten.
Laut «Tages-Anzeiger» haben sich die Zürcher Spitäler zunächst auch geweigert, Patienten aus Genf aufzunehmen – inzwischen habe es aber ein Einsehen gegeben. Rickli ihrerseits versichert, auf Anfragen einzugehen – der Platz sei da.
Angst vor finanziellen Verlusten
Die Sorge der Kantone scheinen die Finanzen zu sein. Denn im Frühling waren die nicht dringlichen Operationen verboten – was bei so manchem Spital zu leeren Betten geführt hatte. «Der Bundesrat ist bis heute nicht bereit, die Spitäler für die entstandenen Einnahmenausfälle zu entschädigen», kritisiert Rickli.
Auch beim Schweizer Spitalverband H+ gibt es offene Fragen bei der Finanzierung, wie Direktorin Anne-Geneviève Bütikofer kürzlich gegenüber SRF sagte. Es brauche eine Regelung, wie die Verluste bei leeren Betten gedeckt werden.
Zwingen kann Berset die Kantone nicht, wie er noch am Mittwoch klarmachte. Denn anders als im Frühling hat der Bundesrat nicht das Notrecht, die «ausserordentliche Lage» ausgerufen. (gbl)