Mit seiner Forderung, dass der Pöstler künftig Briefe, Zeitungen und Päckli nur noch einmal am Tag gesammelt an die Haustür bringt, hat Postchef Roberto Cirillo (52) in ein Wespennest gestochen. «Die 12.30-Uhr-Grenze für die Zustellung von Tageszeitungen sollte fallen», so Cirillo im Blick-Interview. «Heute sind viele Leute über Mittag gar nicht mehr zu Hause. Es macht für sie keinen Unterschied, wann wir die Briefe und Zeitungen einwerfen», sagte er.
Einen Unterschied aber macht es schon – sowohl für die Pöstler wie auch für die Verlage, die die Tageszeitungen herausbringen. «Was Post-Chef Cirillo vorhat, ist eine Bieridee», sagt Andrea Masüger, Präsident des Verlegerverbands Schweizer Medien. Eine Zustellung bis spätestens um 12.30 Uhr sei unerlässlich, «eine später eintreffende Tageszeitung ist nicht mehr aktuell und unattraktiv», so der langjährige frühere Chefredaktor der «Südostschweiz».
Ein alter Hut
Neu sei Cirillos Idee aber nicht: Schon vor fünf Jahren habe die Post die Zustellung auf den Nachmittag verschieben wollen, dann aber darauf verzichtet, nachdem der heutige Nationalratspräsident Martin Candinas (43) mit einem Vorstoss Druck gemacht hatte. «Die Post sagte damals selbst, dass die Zustellung bis Mittag ‹einem grossen Bedürfnis› der Kunden entspreche. Wieso ist sie heute plötzlich anderer Meinung?», fragt Masüger.
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Vor allem, weil das Bedürfnis nach wie vor gross sei: Pro Jahr werden über 900 Millionen gedruckte Zeitungsexemplare mit der Post befördert, davon laut den Zeitungsverlegern die Hälfte mit der ganz normalen Postzustellung. Gerade ältere Menschen sind aus Masügers Sicht tagtäglich auf Informationen aus gedruckten Zeitungen angewiesen. «Wenn die Post ihr Vorhaben umsetzt, wird dies für die Informationsversorgung in der Schweiz einen immensen Schaden zur Folge haben», betont er.
Gewerkschaft und Verleger sind sich einig
Auch die Gewerkschaft Syndicom lehnt Cirillos Vorschlag ab. Zwar sei es möglich, dass eine solche Flexibilisierung die Arbeitsbedingungen verbessern könnte. Unter anderem könnten Teilzeitpensen erhöht werden. Denkbar ist jedoch auch ein Stellenabbau. «Wir sind dem Wohl und den Interessen unserer Mitglieder verpflichtet und bekämpfen Massnahmen, die zu Personalabbau führen können», stellt Syndicom-Sprecher Matthias Loosli klar.
Die Gewerkschaft sorgt sich aber nicht nur um die Jobs der Pöstler. «Wir erwarten, dass kein weiterer Abbau im Service public betrieben wird», sagt Loosli. Das schweizerische Post-Modell, das ohne Subventionen funktioniert, dürfe nicht durch weitere Abbauschritte gefährdet werden. Und wie Masüger sieht auch der Gewerkschafter Nachteile für unsere Informationsversorgung: «Die Zustellung bis am Mittag erfüllt das Recht auf Information und Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Auch das ist Service public und hat einen hohen Wert. Und das darf auch etwas kosten.»