Verband kritisiert hohe Hürden für Ladestationen in Mietshäusern
«Sonst wird der Kauf eines Elektroautos zum Risiko»

Die Verkäufe von Elektroautos stagnieren in der Schweiz. Politiker fordern nun, dass es endlich schnell vorwärtsgeht bei Ladestationen in Mietshäusern.
Publiziert: 14.01.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2025 um 07:36 Uhr
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Die Schweizer kaufen zu wenige Elektroautos, um das Ziel der Energiestrategie zu erreichen.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Schweizer kaufen zu wenige Elektroautos
  • GLP-Präsident Jürg Grossen fordert trotzdem eine konsequente Umsetzung des CO2-Gesetzes
  • Fehlende Ladestationen in Mehrfamilienhäusern bremsen E-Auto-Verkäufe
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GLP-Präsident Jürg Grossen (55) geht auf Kollisionskurs mit den Autoimporteuren, die sich nun gegen angepasste CO2-Vorschriften wehren. Die grossen Autohändler fürchten nämlich hohe Sanktionszahlungen. Denn sie werden 2025 die neuen Vorgaben zum CO2-Ausstoss der verkauften Flotte wohl nicht erreichen. Ihr Problem: Die Schweizer kaufen zu wenige Elektroautos. Der Bund wolle nun den Markt mit der Brechstange ändern, beklagen die Importeure.

Grossen, der auch Präsident des Verbandes Swiss eMobility ist, pocht dennoch auf eine konsequente Umsetzung der Ziele, wie sie das CO2-Gesetz verlange. Die Vergangenheit habe gezeigt: Fehle der Druck auf die Importeure, würden E-Autos weniger beworben und damit auch weniger gekauft. Dabei gebe es heute immer mehr und vor allem immer mehr günstigere Modelle. «In ganz Europa steigt die Autoindustrie aus dem Verbrenner aus. Die Schweizer Importeure müssen den Trend zur Vollelektrifizierung noch konsequenter umsetzen.» 

Flickenteppich bei Ladestationen

Der grösste Bremsklotz für E-Autos sind aus Grossens Sicht aber die fehlenden Ladestationen. Es bräuchte mehr: am Arbeitsort, vor allem aber in Mehrfamilienhäusern. Im Mieterland Schweiz ist dies ein Problem, denn Mietende brauchen die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters, um eine Ladestation zu installieren. Wer Angst hat, zu Hause nicht laden zu können, kauft kein Auto.

Vergangenes Jahr hat das Parlament die finanzielle Unterstützung von neuen Ladestationen abgelehnt, nun gibt es einen kantonalen Flickenteppich. Die Kantone sind für den Gebäudepark zuständig und können in ihren Bau- oder Energiegesetzen vorschreiben, dass bei Neubauten die nötige Infrastruktur vorbereitet werden muss, auch wenn es nur für eine spätere Installation ist. Sie fördern solche Massnahmen finanziell. Und letztlich können die Kantone über die Motorfahrzeugsteuer Anreize setzen. 

Hier gibt es so viele Lösungen wie Kantone. Wallis, Tessin, Genf oder Zürich unterstützen die Installation der Ladeinfrastruktur. In Zürich gibt es für Überbauungen mit bis zu 15 Parkplätzen 500 Franken pro Einheit, in Luzern 400 Franken pro Parkplatz für Mehrparteiengebäude mit mindestens drei Wohneinheiten. Andere Kantone greifen Unternehmen beim Bau der Stationen unter die Arme oder geben gar keinen Zustupf.

Hürde für Mietende

Laut einer kürzlichen erschienenen TCS-Studie ist eine fehlende Ladestation zu Hause der häufigste Grund, warum sich Schweizer gegen den Kauf eines Elektroautos entscheiden. «Da aber auch 86 Prozent der Wohneigentümer noch kein E-Auto besitzen, wäre es kurzfristig wichtig, dass dieses Potenzial ausgeschöpft wird», hält der TCS fest. 

Und während Wohneigentümer oft zumindest selbst entscheiden können, haben es Mietende schwieriger. Michael Töngi (57), Grünen-Nationalrat und Vizepräsident des Mieterverbandes, findet darum, es brauche ein sogenanntes «Recht auf Laden» für alle Mietenden. «Sonst wird der Kauf eines Elektroautos zum Risiko», sagt er. Wenn man etwa umziehe, könne es sein, dass man danach keinen Zugang mehr zu einer Ladestation habe. Er schlägt deshalb vor, dass die Grundinfrastruktur für Ladestationen ab einer gewissen Liegenschaftsgrösse zur Vorschrift wird. 

Der Hauseigentümerverband (HEV) sieht sich hier allerdings nicht in der Verantwortung. «Ob eine Ladestation installiert wird, liegt in der Kompetenz der Eigentümer», findet HEV-Direktor Markus Meier (63). «Alles andere wäre eine Übersteuerung des Eigentumsrechts.» Er wehrt sich dagegen, dass der Erfolg von E-Autos von den Hauseigentümern abhängt: «Wenn jemand ein E-Auto fahren will, kann er das auch. Ladestationen gibt es auch in der Öffentlichkeit oder in Einkaufszentren.»

Anders sieht dies Jürg Grossen. Er hat in Bern einen entsprechenden Vorstoss eingereicht: Liegenschaftsbesitzer sollen Mieterinnen und Mietern nicht verbieten können, eine Ladeinfrastruktur ins Haus montieren zu lassen. «Wie es ein Anrecht darauf gibt, dass die Telekombranche das Glasfasernetz bis in die Wohnung bringt, soll auch die Ladestation nicht verboten werden dürfen», sagt Grossen. Der Nationalrat hat dem Vorstoss zugestimmt, der Entscheid des Ständerates steht noch aus.

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Abgabe auf Elektroautos geplant

Fördern können die Kantone Elektroautos auch über die Besteuerung. Ein einheitliches Vorgehen gibt es auch hier nicht: In Glarus und Solothurn sind sie, derzeit noch, vollständig von der Verkehrssteuer befreit; in Freiburg gibt es einen Rabatt von 30 Prozent; im Thurgau wird der Rabatt je nach Energieeffizienz-Kategorie berechnet. 

Das Problem schweizweit: Wenn es immer mehr Elektroautos gibt, fehlt plötzlich das Geld für die Strassenfinanzierung. Diese wird heute zu einem grossen Teil über Steuern aufs Benzin geregelt. Zwar erhebt der Bund seit dem 1. Januar 2024 schon eine Importsteuer von 4 Prozent auf Elektroautos, von der diese zuvor ausgenommen waren. Geplant wird in Bern aber weiter eine Ersatzabgabe: Ab 2030 soll entweder eine Abgabe für jeden gefahrenen Kilometer oder eine Steuer auf den geladenen Strom erhoben werden. Denn E-Autos finanzieren die Strasseninfrastruktur, anders als die Verbrenner, nicht über die Mineralölsteuer mit.

Mittelfristig sei eine solche Abgabe zwingend, sagt Grossen. Vorerst würde er aufgrund der schleppenden E-Autoverkäufe aber davon absehen. «Man sollte dies Abgabe erst erheben, wenn in der Strassenkasse zu wenig Geld ist. Mit der Ablehnung des Autobahnausbaus sind für längere Zeit genügend Mittel vorhanden.»

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