Uno-Konvention gegen Cyberkriminalität
Gilt bei uns bald chinesisches Recht?

Eine neue Uno-Konvention zur Bekämpfung von Cyberkriminalität sorgt für Kontroversen. Während Befürworter die internationale Zusammenarbeit loben, warnen Kritiker vor einer Gefahr für die Grundrechte. Der Bund prüft die Ratifizierung des Abkommens.
Publiziert: 04.02.2025 um 14:38 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2025 um 18:36 Uhr
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An Heiligabend verabschiedete die Uno-Generalversammlung ihre Konvention zur Bekämpfung von Cyberkriminalität.
Foto: imago/photothek

Auf einen Blick

  • Uno verabschiedet Cyberkriminalitäts-Konvention
  • Schweiz stimmt zu, Kritiker warnen vor Überwachung
  • Konvention könnte als Blaupause für neue Überwachungsmassnahmen dienen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Wenige Stunden vor Heiligabend machte sich die Uno-Generalversammlung selbst ein Weihnachtsgeschenk: Sie verabschiedete in New York die Konvention gegen Cyberkriminalität. Diese soll Länder in Zukunft dazu verpflichten, alles zu unternehmen, um Straftaten digital zu überwachen – und die Daten bedarfsweise international weiterzugeben.

Unter anderem China und Russland gehören zu den treibenden Kräften des Übereinkommens. Auch die Schweizer Delegation stimmte ihm zu. Werden wir also im Netz bald zum Spielball autoritärer Staaten?

Beschert die Uno der Schweiz neue Überwachungsmöglichkeiten?

«Die Konvention definiert Überwachungsmethoden, die in der Schweiz noch gar nicht existieren», sagt Pascal Fouquet (44), Vizepräsident der Piratenpartei Bern. Seine Befürchtung: Die Schweiz könnte sich auf die Konvention berufen, um neue Massnahmen einzuführen sowie Strafmasse zu erhöhen. Bereits die Budapest-Konvention, das Übereinkommen des Europarats zur Cyberkriminalität, habe vielen Ländern als Blaupause für die eigene Gesetzgebung gedient, so Fouquet.

Neben der Piratenpartei beäugen auch zahlreiche internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, die Electronic Frontier Foundation oder Amnesty International die Uno-Konvention kritisch. Und selbst Tech-Konzern Microsoft warnte in den Verhandlungen vor möglichen Grundrechtsverletzungen. Denn das Übereinkommen nutze eine äusserst grosszügige Definition von Cyberkriminalität – und erlaube so auch einen breiten Massnahmenkatalog.

Die Schweiz besitzt bereits zahlreiche Überwachungsmöglichkeiten

Die Schweizer Uno-Delegation wertet die Konvention jedoch als Erfolg. Ein Datenaustausch wäre nur möglich, wenn in beiden Ländern dieselben Straftatbestände bestünden. Zudem könne die Zusammenarbeit mit anderen Staaten abgelehnt werden, wenn Grundrechte wie der Schutz der Menschenrechte dadurch gefährdet würden. Deshalb habe die Schweiz den Konsens für die Verabschiedung schliesslich gemeinsam mit den anderen Staaten mittragen können, teilt das Eidgenössische Aussendepartement (EDA) auf Anfrage mit.

Zudem argumentieren Befürworter der Konvention, dass viele Instrumente bereits bestünden, die in der Konvention festgelegt sind – auch in der Schweiz. Umgekehrt zeigt dies jedoch: Tür und Tor bei der digitalen Überwachung stehen bereits weit offen. So deckte letztes Jahr eine Recherche der «Republik» auf, dass der Schweizer Nachrichtendienst bereits jetzt einen Grossteil der inländischen Netzwerkaktivitäten überwacht. Und wenn es um eine Durchleuchtung von verschlüsselten Chats geht, steckt zumindest die EU bereits tief in der Debatte.

Das Schweizer Parlament wartet dagegen erst einmal ab: Diese Woche sistierte die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (RK-S) die Behandlung einer Motion der ehemaligen GLP-Nationalrätin Judith Bellaïche (53), die der Chatkontrolle präventiv den Riegel schieben möchte. Zuerst solle sich die EU entscheiden, schreibt die Kommission in einer Mitteilung.

Bund prüft die Ratifizierung

«Die Entwicklung ist gefährlich», sagt Fouquet. Er argumentiert, dass sich die Schweiz nun durch die Uno-Konvention trotz der eingefügten Klauseln bei gewissen Meinungsäusserungen zur Handlangerin machen könnte. «Auch bei uns ist etwa die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts bereits strafbar», sagt er.

Noch in diesem Jahr sollen erste Länder das Übereinkommen unterzeichnen. Es wird bindendes internationales Recht, sobald mindestens 40 Länder es ratifiziert haben. Ob und wann der Bundesrat dem Ruf der Vereinten Nationen folgt, wird sich noch zeigen. Das EDA teilt mit, dass die zuständigen Bundesbehörden den vorliegenden Text eingehend analysieren und der Landesregierung einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten werden. Danach ist auch noch das Parlament am Zug.

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