So viel vorweg, die Krone soll unpolitisch sein. Dies ist ein wichtiger Grundsatz der britischen Monarchie. Und die verstorbene Königin Elizabeth II. (†96) hielt sich Zeit ihres Lebens grösstenteils daran. Nur sehr selten liess sie sich zu politischen Aussagen hinreissen. Zum Beispiel, als Schottland über seine Unabhängigkeit von Grossbritannien abstimmte.
Sie wagte damals nur eine kleine, fast unbemerkte Äusserung gegenüber einer Wartenden vor Schloss Balmoral. «Ich hoffe, dass das schottische Volk sehr vorsichtig über die Zukunft nachdenken wird», sagte die Queen.
Der politische Einfluss der Krone wurde in den letzten Jahrhunderten massiv verringert und beschränkt sich heute auf Symbolik und Rituale.
König Charles ist politisch interessiert und engagiert
Nun ist bekannt, dass der neue König Charles III. (73) politisch sehr interessiert und auch engagiert ist. Besonders der Umweltschutz liegt ihm am Herzen und in seiner Rolle als Prinz von Wales hatte er noch Freiheiten, um seinen Anliegen auch auf politischer Ebene Gehör zu verschaffen.
Zu Beginn der 00er-Jahre schrieb Charles, damals noch Thronfolger, zahlreiche Briefe an Minister, Premiers und andere Mitglieder des britischen Parlaments. Darin ging es um Landwirtschaft, globale Erwärmung und soziale Vereinsamung der Bevölkerung. Diese Briefe wurden zu einem Skandal, da Charles seine Ansichten sehr eindrücklich darlegte und ihm vorgeworfen wurde, Einfluss auf die Politikerinnen und Politiker zu nehmen.
Wöchentliche Sitzungen mit der Premierministerin
Als König versprach er in seiner Rede an das Parlament, den Weg seiner Mutter weiterzugehen. Und implizierte damit, dass er seine politischen Ansichten für sich behalten werde. Seine Aufgaben sind klar geregelt: Er wird neu ernannte Premierministerinnen und -minister im Amt begrüssen und in einer prunkvollen Zeremonie die jährliche Sitzungsperiode des Parlaments eröffnen.
Am meisten Einfluss wird er aber wohl in den wöchentlichen Treffen mit den Premiers nehmen können. Die Queen verriet einst über diese Sitzungen: «Sie sagen mir, was los ist und ob sie Probleme haben, und manchmal kann ich auf irgendeine Weise helfen. Sie wissen, dass ich unparteiisch bin, und es ist ein gutes Gefühl, so etwas wie ein Schwamm zu sein.» Charles wird sich nach der nationalen Trauerphase erstmals mit der neuen Premierministerin Liz Truss (47) treffen.
«Schwere Verfassungskrisen»
Als König darf Charles nur in absoluten Ausnahmesituationen über die Köpfe des Parlaments hinweg Entscheidungen treffen. Dies bei «schweren Verfassungskrisen», wie das zum Beispiel bei der Abdankung Eduards VIII. (1894-1972) der Fall war.
Der damalige König sorgte 1936 für Unsicherheit im Land, da er mit Wallis Simpson (1896–1986) eine geschiedene Frau heiraten wollte, der vorgeworfen wurde, Beziehungen zu Nazi-Deutschland zu haben. Dies war für das Volk, die Politik und das Königshaus dramatisch und bedurfte einer Änderung in der Verfassung. Eduard dankte daraufhin als König ab. George VI., der Vater von Queen Elizabeth II., wurde König. Doch es ist kaum zu erwarten, dass King Charles in eine solche Situation geraten wird.
Einen Einfluss könnte Charles dennoch haben. Besonders sein Engagement für den Umweltschutz und die biologische Agrarwirtschaft sind mittlerweile bei vielen Royals tief verwurzelt und dürften während der Regentschaft Charles III. an Wichtigkeit gewinnen. (grb)