Darum gehts
- Asylsuchende müssen ab April zur Identitätsprüfung ihre Handys abgeben
- Kritiker warnen vor Verletzung der Privatsphäre und negativen Konsequenzen
- SEM rechnet mit Kosten von 1,2 Millionen Franken und 6 bis 9 Vollzeitstellen
Ist die Frau tatsächlich vor Konflikten im Sudan geflohen? Und war der Jugendliche im Iran wirklich politischer Verfolgung ausgesetzt? Um solche Fragen besser beantworten zu können, müssen Asylsuchende ab April ihre Handys abgeben. Die Schweiz will so mehr über ihre wahre Identität herausfinden.
Den entsprechenden Entscheid hat das Parlament schon vor über drei Jahren gefällt, als es Ja sagte zu einem Vorstoss von Gregor Rutz (52, SVP). Nun gilt die Änderung ab April. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Was erhofft sich die Schweiz davon?
Ziel der neuen Regelung ist es, die Identität, die Nationalität sowie den Reiseweg von Asylsuchenden besser feststellen zu können. Diese Angaben sind entscheidend dafür, wer in der Schweiz Schutz erhält.
Ein grosser Teil der Asylsuchenden besitzt aber keine offiziellen Papiere, die ihre Herkunft bescheinigen. «Die Gesuchsteller haben fast alle ein Mobiltelefon bei sich. Dieses verlieren sie im Gegensatz zu ihren Ausweispapieren interessanterweise kaum je», so Rutz zu Blick. In solchen Fällen kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) nun auch Geräte durchleuchten. Gemäss Verordnung muss aber jeder Einzelfall vorgängig auf die Verhältnismässigkeit überprüft werden. «Ein zwangsweiser Entzug der elektronischen Datenträger ist in keinem Fall möglich», heisst es beim SEM auf Anfrage.
Was sagen Kritiker?
Angesichts der umfangreichen, oft sehr intimen Daten, die auf Smartphones gespeichert sind, könnte die Untersuchung «die Privatsphäre in schwerwiegender Weise verletzen», warnt die Schweizer Sektion von Amnesty International auf Anfrage. «Wir erachten die routinemässige Auswertung von Handydaten deshalb als ungerechtfertigt», sagt ein Sprecher.
Das SEM sagt, die Datenauswertung erfolge nur mit Einverständnis der Asylsuchenden. Davon könne keineswegs die Rede sein, heisst es bei Amnesty International. Wer sich auf seine Privatsphäre berufe und die Herausgabe der Daten ablehne, verletzte gemäss Vorlage seine Mitwirkungspflicht und müsse wohl negative Konsequenzen für sein Asyl-Verfahren befürchten. «Formlose Abschreibung, Ablehnung ohne Anhörung oder Administrativhaft aufgrund Verletzung der Mitwirkungspflicht», könnten die Folgen sein, heisst es bei der NGO.
Was kostet das Ganze?
Für die erste Phase ohne die entsprechende Software wird bis Ende Jahr mit 1,2 Millionen Franken gerechnet. Für die darauffolgende Auswertung der Datenträger in allen Bundesasylzentren rechnet das SEM zum jetzigen Zeitpunkt mit einem Bedarf von sechs bis neun Vollzeitstellen. Diese sollen SEM-intern besetzt werden.
Allerdings ist das SEM offenbar nicht sicher, inwiefern es die Vorgabe des Parlaments wirklich durchsetzen will. So will das SEM nach drei Jahren eine Zwischenbilanz ziehen. Dann wird entschieden, ob die Datenauswertung fortgeführt oder die Übung abgebrochen wird.
Was passiert, wenn bei der Sichtung kriminelle Straftaten oder Kontakte zu Schleppern entdeckt werden?
Das SEM hat vom November 2017 bis Mai 2018 bereits in einem Pilotversuch 565 freiwillig abgegebene Geräte durchsucht. In fünf Fällen wurden dort Informationen an Polizei- und Sicherheitsbehörden weitergeleitet – wegen des Verdachts auf Menschenhandel, auf Handel mit Betäubungsmitteln oder auf die Begehung von Kriegsverbrechen.
Sollten die SEM-Beamten in Zukunft auf «sicherheitsrelevanten Inhalt» stossen, werde dieser an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. «Es wird aber keinesfalls aktiv danach gesucht.»