Um die Armee zu stärken, soll Zugang zum Zivildienst erschwert werden
«Sonst haben wir in zehn Jahren eine Schattenarmee»

Wer sich von der Armee zum Zivildienst umteilen lassen will, muss in Zukunft höhere Hürden überspringen. Nach dem Nationalrat fordert auch der Ständerat vom Bundesrat, die Bedingungen für diese Umteilung zu verschärfen.
Publiziert: 06.03.2023 um 18:45 Uhr
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Das System der Wahlfreiheit «ist komplett aus dem Ruder gelaufen», findet Stefan Holenstein, Präsident des Verbands militärischer Gesellschaften Schweiz.
Foto: Keystone

Für Stefan Holenstein (61), Präsident des Verbands militärischer Gesellschaften Schweiz VMG, ist es «schlicht unerträglich»: Noch immer würden viele die Armee in Richtung Zivildienst verlassen, nachdem sie bereits die Rekrutenschule (RS) und allenfalls sogar eine Kaderausbildung absolviert haben – «und erst dann einen angeblichen Gewissenskonflikt geltend machen».

Schon seit Jahren warnt die Schweizer Armee davor, dass ihr bis Ende des Jahrzehnts die Soldaten ausgehen – dabei hat das Militär im Moment noch viel zu viel Personal.

Mittlerweile wird nicht einmal mehr die gesetzlich festgelegte Höchstgrenze eingehalten. Um rasch Leute loszuwerden, wird deshalb die Dienstzeit von 12 auf 10 Jahre verkürzt.

«Milizsystem wird ad absurdum geführt»

Gleichzeitig beklagt die Armee immer mehr Abgänge: 2022 wurden 24'800 Stellungspflichtige als diensttauglich eingestuft – fast 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Davon aber wurde über ein Viertel zum Zivildienst zugelassen, ebenfalls nochmals fast 8 Prozent mehr, teilt das Bundesamt für Zivildienst mit. Rund ein Drittel davon reichte das Gesuch erst nach der RS ein.

Für Holenstein ist das System der Wahlfreiheit «komplett aus dem Ruder gelaufen». Heute gebe es rund 55'000 Zivis. «Wenn dieser Trend so weitergeht, haben wir in zehn Jahren eine Schattenarmee von ausgebildeten Leuten, die sich der Dienstpflicht entzogen haben und die Armee sogar zahlenmässig noch überholen wird», warnt er. «Damit wird das Milizsystem ad absurdum geführt.»

Bedingungen für Umteilungen verschärfen

Diese Entwicklung will der Ständerat nun stoppen: Wer sich von der Armee zum Zivildienst umteilen lassen will, muss in Zukunft höhere Hürden überspringen. Nach dem Nationalrat fordert auch der Ständerat vom Bundesrat, die Bedingungen für diese Umteilung zu verschärfen.

Die kleine Kammer überwies am Montag eine entsprechende Motion der SVP-Fraktion mit 31 gegen 9 Stimmen bei 0 Enthaltungen. Unter anderem sollen diejenigen, die sich umteilen lassen, künftig mindestens 150 Diensttage im Zivildienst leisten müssen.

Ab der Zulassung für den Zivildienst sollen zudem jährliche Einsätze für einstige Armeeangehörige Pflicht sein. Auch werden die Zivildiensteinsätze für Ärzte, Tierärzte und Zahnärzte eingeschränkt. Diese Personen sollen vermehrt in der Armee dienen.

Die SVP begründete den Vorstoss vor allem mit der schlechteren Sicherheitslage in Europa. Sie will damit den Armeebestand erhöhen. Der Nationalrat hatte dem Vorstoss schon im vergangenen Herbst zugestimmt.

Millionen von Franken werden «unnütz» ausgegeben

Der Bundesrat stellte sich hinter den Vorstoss. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) sagte im Rat, ein Drittel der Umteilungen zum Zivildienst erfolgten nach der Absolvierung der RS. Deshalb gehe der Armee viel Geld verloren. Die vorberatende Kommission des Ständerats sprach von 69 Millionen Franken, die im Jahr 2021 letztlich «unnütz» ausgegeben worden seien. Dies, weil im genannten Jahr 2000 Personen nach der Absolvierung der RS umgeteilt worden seien.

Die hohe Zahl von Zulassungen zum Zivildienst lasse sich nicht allein durch die Unvereinbarkeit mit dem Gewissen erklären. Sie deute auch darauf hin, dass die Dienstpflichtigen auf den Zivildienst auswichen, weil sich dieser besser mit ihren Karriereplänen und ihrem Privatleben vereinbaren lasse, so die Kommission.

Noch im Sommer 2020 war eine Vorlage für höhere Hürden für den Zivildienst im Parlament gescheitert. Die SVP griff danach sechs von acht Punkten aus dem Gesetzgebungsprojekt wieder auf und liess die zwei umstrittensten Massnahmen fallen. (dba/SDA)

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