Ukraine-Flüchtlinge erzählen, wie sie sich in der Schweiz eingelebt haben
Zwischen Hoffnung und Ernüchterung

75'000 Ukraine-Flüchtlinge haben in der Schweiz Zuflucht gesucht. Wie ist es, wenn man von einem Tag auf den andern nochmals ganz von vorn beginnen muss? Zwei Schicksale.
Publiziert: 23.02.2023 um 11:29 Uhr
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Olga Magaletska und ihre beiden Söhne leben seit vergangenem April im Kanton Genf.
Foto: Zvg
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Lea HartmannRedaktorin Politik

«Ich bin bereit, in der Schweiz bei null anzufangen», sagte Olga Magaletska (41), als Blick sich vergangenen Frühling mit ihr unterhielt. Die Ukrainerin und ihre Landsfrau Irina Wascheko (34) gehören zu den 75'000 Menschen, denen der Bund seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs Schutz gewährt hat. Blick hatte vergangenes Jahr über ihren Neuanfang in der Schweiz berichtet.

Wie ist es den beiden Frauen und ihren Familien seither ergangen? Zwei Geschichten über Hoffnung und Erfolg, aber auch Ernüchterung und Heimweh.

Olga Magaletska(41): Eine Rückkehr kommt derzeit nicht infrage

Erst kürzlich hat Olga Magaletska (41) das Heimweh übermannt. Wenige Tage nach Kriegsausbruch hatten die Ukrainerin und ihre Familie die Koffer gepackt und waren ausser Landes geflohen. «Ich vermisse meine perfekte Wohnung und den Ort, der zehn Jahre unser Daheim war», sagt sie. Heute lebt Magaletska mit ihren beiden Zwillingssöhnen (9), ihrem Lebenspartner und ihren Eltern in einer 150-Quadratmeter-Wohnung in Bernex GE.

Blick hatte im Mai über Magaletska berichtet, damals hatte die Ukrainerin einen Job gesucht. Knapp vier Monate später konnte die ehemalige Leiterin einer Agentur für Investitionsförderung, die sehr gut Englisch spricht, eine Vollzeit-Stelle bei der Weltorganisation für den Strassenverkehr (IRU) in Genf antreten. Den Job habe sie via Business-Plattform Linkedin gefunden, erzählt sie.

Magaletska ist sehr froh, wieder arbeiten zu können und nicht mehr auf Unterstützung des Staates angewiesen zu sein. «Meinen Kindern allerdings gefällt es hier nicht sonderlich, und das schmerzt mich sehr», sagt sie. Die beiden Buben vermissen ihr Daheim und haben Mühe, Freunde zu finden.

Trotzdem steht für Olga Magaletska fest, fürs Erste in der Schweiz zu bleiben. Sollten sich ihre Kinder doch noch einleben, kann sie sich vorstellen, nicht mehr in die Ukraine zurückzukehren. Ansonsten komme später allenfalls ein Umzug nach Polen, wo der Vater ihrer Söhne lebt, infrage. Zurück nach Kiew zu gehen, ist für die Familie keine Option, solange der Krieg tobt. «Es ist zu unsicher.»

Irina Waschenko(34): «Schaue ich zurück, verlief das Jahr gut»

Ohne Gepäck und ohne Geld, nur mit dem, was sie gerade auf sich trugen, sind Irina Waschenko (34) und ihre beiden Kinder vor knapp einem Jahr aus ihrer Heimat Charkiw geflohen. Zuvor hatten sie zwei Wochen im Keller gelebt, während ihr Daheim bombardiert wurde. Auch das Nagelstudio, das Waschenko gehörte, wurde zerstört.

Die Familie kam nach Ebikon LU, wo sie heute noch lebt. Irina Waschenko sagt: «Schaue ich zurück, verlief das Jahr gut.» Geflüchtete wie sie erhielten in der Schweiz viel Unterstützung. «Wir haben eine Wohnung, genug Sozialhilfe, die Deutschkurse werden bezahlt», zählt sie auf. Das einzige Problem sei die Sprache, und damit verbunden die Jobsuche.

Sie arbeite derzeit im Stundenlohn in einem Kosmetikstudio, erzählt die alleinerziehende Mutter. Doch weil sie Sozialhilfebezügerin ist, geht der meiste Teil des Lohns zum Sozialamt, und der kleine Rest werde erst mit grosser Verzögerung überwiesen. «Ich würde mich gern selbständig machen», sagt sie. Doch sie weiss: In ihrer aktuellen Situation ist das sehr schwierig.

Einfacher war das Einleben für ihre Tochter (7) und ihren Sohn (13). Den beiden gefalle es hier rundum, sagt Irina Waschenko. Und das trotz Doppelbelastung. Denn jeden Tag, wenn sie von der Schule heimkommen, haben sie noch Online-Unterricht in der Ukraine. Die Mutter will nicht, dass sie im heimischen Schulsystem den Anschluss verpassen. Die Hoffnung, irgendwann zurückkehren zu können, besteht weiter.

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