Die Wohnungsnot in den grossen Städten nimmt zu. Die Zahl der sich im Bau befindlichen Wohnungen deutet darauf hin, dass in den kommenden Jahren 5000 bis 10'000 Wohnungen pro Jahr fehlen werden, so der neuste Immobilien-Report des Immobilien-Beratungsunternehmens IAZI.
Parteien und Verbände überbieten sich mit Forderungen, wie das Wohnproblem gelöst werden kann. Und SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) lud Mitte Mai zum runden Tisch, wobei im Vorfeld verschiedenste Vorschläge aufs Tapet kamen.
Limitierung des Wohnflächenverbrauchs
Darunter befindet sich eine brisante Idee des Mieterverbands. Dieser brachte unter anderem eine «Limitierung des Wohnflächenverbrauchs mit Belegungsvorgaben» in die Debatte ein, wie Blick berichtete.
Will heissen: Der Mieterverband wollte festschreiben, wie viele Personen in einer Wohnung einer bestimmten Grösse zu leben haben. Eine Bestimmung, die jeweils bei der Vergabe von Mietwohnungen in Neubauten angewendet werden soll, damit neu vergebene Wohnungen «optimal besetzt» werden können.
Damit stellte der Mieterverband die Problematik zur Diskussion, dass man im Schnitt pro Person immer mehr Wohnfläche braucht. Der Trend zu Single- und Zwei-Personen-Haushalten ist ein Teil der Wohnungsnot-Thematik.
SP-Badran wohnt auf 150 Quadratmetern
Der «Tages-Anzeiger» hat nun nachgerechnet, ob prominente Exponenten des Mieterverbands die Vorgabe selber einhalten würden. Und zwar nach der Formel: Anzahl der Zimmer minus eins gleich vorgeschriebene Mindestbelegung. Eine Dreizimmer-Wohnung beispielsweise müsste mit mindestens zwei Personen belegt sein.
Ernüchternd ist das Ergebnis bei SP-Nationalrätin und Mieterverband-Vorstandsmitglied Jacqueline Badran (61). Im Zürcher Stadtquartier Wipkingen bewohnt sie zusammen mit ihrem Mann die obersten beiden Etagen eines Mehrfamilienhauses. Ihr Wohneigentum umfasst gemäss «Tages-Anzeiger» zwei Dreizimmer-Wohnungen. Mindestens 150 Quadratmeter beträgt die Wohnfläche, was einer weit überdurchschnittlichen Pro-Kopf-Wohnfläche von 75 Quadratmetern entspricht.
«Die Politikerin lebt überdurchschnittlich grosszügig», stellt die Zeitung fest. Und wundert sich, dass Badrans Verband gleichzeitig «Mieterinnen und Mietern vorschreiben will, wie grosszügig diese zu wohnen haben». Für eine Stellungnahme zu diesem «Widerspruch» war Badran für den «Tages-Anzeiger» nicht erreichbar.
Verbandspräsident erfüllt Vorgabe
Auf weniger Raum lebt hingegen Verbandspräsident und SP-Ständerat Carlo Sommaruga (63, GE). «Ich miete mit meiner Familie eine Wohnung in Genf mit vier Zimmern, davon zwei Schlafzimmer und eine Wohnküche», wird der Vater von zwei Töchtern im Teenageralter zitiert. Wegen seines Mandats verfügt er zudem über «ein Zimmer mit Etagentoilette» in Bern. Somit erfüllt Sommaruga die Forderung des eigenen Verbands.
Verbandsvize und Grünen-Nationalrat Michael Töngi (56, LU) wiederum bewohnt eine 55-Quadratmeter-Wohnung mit «je nach Definition zweieinhalb oder drei Zimmern» in einem Bauernhaus, das er selber besitzt. In Bern hat er zudem eine Mansarde ohne Küche und mit Gemeinschaftsbad gemietet. Damit dürfte er den Verbandsvorschlag wohl nicht erfüllen.
Idee ist vom Tisch
Allerdings wurde die Idee bisher nur allgemein formuliert und nicht konkret ausgearbeitet. Am runden Tisch selbst wurde sie denn auch nicht vorgebracht, wie Sommaruga betont. Und er will die Idee auch nicht mehr weiterverfolgen. (rus)