Tiefe Quote bei Ausschaffungen
Zieht Karin Keller-Sutter bald die Schraube an?

Die Justizministerin hat an der grosszügigen Auslegung der Härtefälle wenig Freude. Nun erwägt ihr Departement eine Gesetzesverschärfung.
Publiziert: 25.07.2020 um 23:31 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2020 um 08:59 Uhr
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Kontroverse um die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative: Ende Juni wurde bekannt, dass es nur in 59 Prozent der Fälle zu einer Landesverweisung kommt.
Foto: Michael Buholzer
Camilla Alabor

Die Umsetzung der SVP-Ausschaffungs-Initiative sorgt erneut für Kontroversen. Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) von Ende Juni zeigten: In lediglich 58 Prozent jener Fälle, bei denen ein Straftäter das Land verlassen müsste, kommt es tatsächlich zu einem Landesverweis. Allerdings kam im Laufe dieser Woche heraus, dass diese Berechnungen mit Vorsicht zu geniessen sind. Denn die Zahlen des BFS stimmen nicht in allen Fällen mit jenen der Kantone überein. Damit bleibt weiterhin unklar, wie hoch die Ausschaffungsquote straffälliger Ausländer bei sogenannten Katalogdelikten tatsächlich ist; sie dürfte aber höher liegen als bei den erwähnten 58 Prozent.

Seither treibt die Politik zwei Fragen um: Wo ist der Fehler passiert? Und warum ist die Quote der Härtefälle so hoch?

Eine Fehlerquelle könnte die Erfassung der Straftaten im ­System selbst sein. Das sagt ­Angela ­Weirich, Vorstandsmitglied der Staatsanwälte-Kon­ferenz und ­erste Staatsanwältin des Kantons ­Basel-Landschaft. «Wir vermuten, dass nicht in allen Fällen Katalogtaten richtig eingegeben werden können», so Weirich.

Zweite Verifikation für alle Kantone

Das Resultat: Die Kantone müssen die Zahlen, die sie dem Bund schicken, vor deren Publikation ein zweites Mal verifizieren. In Basel-Landschaft führt man dazu eine separate Excel-Liste, die von Hand überprüft wird. Angesichts von 47 Ausschaffungen im Jahr 2019 ist der Aufwand überschaubar und auch die Fehlerquote relativ tief: Nach der Berücksichtigung von vier zusätzlichen Fällen stieg in Basel-Land die Ausschaffungsquote von 75 auf 78 Prozent.

In bevölkerungsreichen Kantonen wie Zürich oder Bern dürfte die Fehlerquote demgegenüber um einiges höher sein. Um die Delikte künftig sauber zu erfassen, sind Bund und Kantone derzeit daran, das Strafregister-Informationssystem Vostra zu überarbeiten.

Die tiefe Ausschaffungsquote wiederum kommt wohl auch deshalb zustande, weil in einigen Kantonen bei leichten De­likten nicht die Richter, sondern die Staatsanwälte zuständig sind. Letztere können aber keine Landesverweisung aussprechen. Das führt dazu, dass bei Entscheiden von Staatsanwälten die Ausschaffungsquote deutlich ­tiefer ist.

Zusätzliche Angaben von BFS

Im Departement von Justiz­ministerin Karin Keller-Sutter (56, FDP), bekannt für ihre harte Linie in der Migrationspolitik, hat man an der hohen Anzahl Härtefälle keine Freude. Das Bundesamt für Justiz verlangt deshalb vom BFS zusätzliche ­Angaben dazu, welche Kantone aus welchen Gründen wie viele Härtefälle bewilligen. Denn wenn man bei leichten Straf­taten ganz von Ausschaffungen absehe, entspreche das nicht der Idee des Gesetzgebers, heisst es aus bundesratsnahen Kreisen.

Der Bericht darüber, woran es genau hapert, soll bis im Herbst vorliegen. Je nachdem, wie die Analyse ausfällt, wird Bundes­rätin Keller-Sutter wohl nachbessern wollen. Und das Gesetz nochmals verschärfen.

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