Der Bund räumt Fehler ein
Schon wieder Zahlen-Chaos bei Ausschaffung krimineller Ausländer

Der Bundesrat versprach, endlich verlässliche Zahlen zur Ausschaffungsquote straffälliger Ausländer zu liefern. Doch jetzt zeigt sich: Verlässlich sind sie noch immer nicht. Auf Nachfrage gibt der Bund auch jetzt wieder Fehler zu.
Publiziert: 23.07.2020 um 23:11 Uhr
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Aktualisiert: 04.05.2021 um 16:35 Uhr
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Ärger in Karin Keller-Sutters Stall: Wie schon 2018 stimmen die Ausschaffungszahlen nicht.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Der Bund versinkt im Zahlenchaos. Nur 58 Prozent der kriminellen Ausländer kassierten einen Landesverweis, hat eine kürzlich veröffentlichte Statistik des Bundesamts für Statistik (BFS) ergeben. Jetzt kommt heraus, dass auch diese Zahl nicht stimmen dürfte. Das BFS bestätigt gegenüber BLICK: Bei der Statistik ist es zu Fehlern gekommen – schon wieder. Bereits vor zwei Jahren hatte ein Zahlen-Wirrwarr beim Bund für Schlagzeilen gesorgt.

Kommt hinzu: Keiner weiss, wie viele Landesverweise tatsächlich vollzogen werden. Und das, obwohl die Daten dazu seit Jahren erfasst werden, wie BLICK gestern aufdeckte.

Keiner will verantwortlich sein

Schuld am Zahlensalat will niemand haben. Das Bundesamt für Justiz (BJ) schiebt das Debakel dem Staatssekretariat für Migration (SEM) in die Schuhe. Das SEM besteht darauf, die notwendigen Informationen nicht zu haben. Und die Statistiker des Bundes schieben die Schuld auf die Kantone.

Bei den Angaben, wie viele vom Gericht verhängte Ausschaffungen tatsächlich durchgeführt wurden, wird nun klar: Der Bund hat Angst, falsche Zahlen zu veröffentlichen. Also lässt er es vorerst sein.

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Veröffentlichung wurde gestoppt

Man hatte die sogenannte Vollzugsstatistik ursprünglich bereits 2018 publizieren wollen, erklärt das Bundesamt für Statistik (BFS). Dann wurde in jenem Sommer aber bekannt, dass die BFS-Daten zu den richterlichen Ausschaffungsentscheiden kreuzfalsch waren. Eine Schmach fürs BFS.

Aus Furcht, einen weiteren Bock zu schiessen, zog der Bund bei der zweiten Statistik, also jener zu den tatsächlich erfolgten Ausschaffungen, die Notbremse. Die Vollzugszahlen verschwanden in den Schubladen der Amtsstuben.

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Kantone haben Daten falsch eingegeben

Die Bundesbeamten hätten die Zeit seit 2018 nutzen können, um Ordnung ins Zahlenchaos zu bringen. Doch das haben sie offenbar verpasst. Denn auch die jüngst kommunizierte Quote der Ausschaffungsentscheide bei Delikten, die laut Gesetz zum Landesverweis führen müssen, stimmt wohl nicht. Immer noch nicht. Obwohl das ja schon vor zwei Jahren für Ärger gesorgt hatte.

Das BFS schiebt die Schuld den Kantonen und dem Bundesamt für Justiz in die Schuhe. Verschiedene Kantone hätten die Gerichtsentscheide falsch codiert, sodass sie zu Unrecht in der Ausschaffungsstatistik auftauchten, sagt das BFS. So hätten sie Ladendiebstähle in die Datenbank eingetragen – obwohl diese gar keinen Landesverweis zur Folge haben. Diese Fehler verzerren nun die Statistik. Die Landesverweisquote von 58 Prozent ist also kaum richtig. Sie dürfte höher sein als ausgewiesen.

Luzern hat seine Zahlen berichtigt

Bleibt die Frage, weshalb die Bundesstatistiker die Richtigkeit der Angaben nicht vor der Publikation mit den einzelnen Kantonen überprüft haben. Der Kanton Luzern beispielsweise hat zusammen mit dem Bund seine Angaben berichtigt. Darum stimmten sie nun, teilt der Kanton auf Anfrage mit. Und prompt hat Luzern mit 91 Prozent auch die höchste Ausschaffungsquote im ganzen Land.

Vom Daten-Chaos profitiert die SVP. Sie verlangt seit vier Jahren Auskunft darüber, wie viele kriminelle Ausländer wirklich das Land verlassen mussten. Und weil der Bund nie liefert, kann die Partei stets behaupten, Bundesbern wolle der Bevölkerung etwas verheimlichen.

Fraktionschef Thomas Aeschi (41) rechnet damit, dass es noch mindestens ein bis zwei Jahre dauern wird, bis der Bund die Zahlen zum Vollzug der Landesverweise endlich rausrücken wird. Das könnte sich bewahrheiten. Bleibt zu hoffen, dass es dann die richtigen sind.

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