«Das führt zu Rechtsverluderung»
Das Stimmvolk habe klar entschieden, betont der ehemalige Zürcher Oberstaatsanwalt und Oberrichter Christian Huber (76) und führt aus: «2010 hat es die Ausschaffungs-Initiative der SVP angenommen. Die war ohne Härtefallklausel!» Aber dann habe das Parlament gegen den Volkswillen eine Härtefallklausel durchgesetzt. «Mit der Zusicherung, dass sie nur in Ausnahmefällen angewendet werde», sagt Christian Huber weiter. Davon könne angesichts der Statistik nun aber keine Rede sein. Es liege weniger an der Kuscheljustiz der Richter. Huber weiter: «Der Wurm steckt im System. Die Staatsanwälte dürfen seit der Revision des Eidgenössischen Strafgesetzbuches 2007 keine Ausweisungen mehr anordnen.» Und: «Strafbefehle sind daher nie mit einem Landesverweis verbunden, da diesen nur ein Gericht anordnen kann.» Doch auch für Delikte, die mit einem Strafmass von bis zu sechs Monaten Gefängnis geahndet werden, müsse gemäss Gesetzestext die Ausschaffung greifen, findet der ehemalige SVP-Finanzdirektor der Zürcher Kantonsregierung. Fazit: Christian Huber ist mit der Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative ganz und gar nicht einverstanden. «Wenn man ein Gesetz erlässt, muss man sich auch daran halten, alles andere führt zu Rechtsverluderung», urteilt der Ex-Richter.
«Man muss im Einzelfall entscheiden können»
Felicitas Lenzinger (66), Gerichtspräsidentin von Basel-Stadt, hält an der Härtefallklausel fest, obwohl das Strafgericht des Kantons recht streng die Ausschaffungs-Initiative umsetzt, wie die jüngste Statistik des Bundes zeigt. In 83 Gerichtsurteilen gegen ausländische Straftäter wurden auch Landesverweise ausgesprochen – in nur acht Fällen liess man Gnade walten. Dennoch: «Die Härtefallklausel ist wichtig. Der Richter muss die Möglichkeit haben, im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Ausweisung des Verurteilten verhältnismässig ist.» Zu beachten sei, ob der Täter in der Schweiz aufgewachsen ist, ob er hier eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz hat, gut integriert ist. «Auch ob er in der Schweiz beispielsweise eine Familie zu ernähren hat, muss berücksichtigt werden», so Lenzinger. Denn: «Man darf nicht jemandem ohne weiteres die Existenz nehmen.» Ganz anders beurteilt die Richterin Fälle von Ausländern, die kein Bemühen zeigen, sich in die Schweizer Gesellschaft einzufügen, und hierzulande in ihren Kreisen bleiben. Auch wer vorbestraft ist oder von der Migrationsbehörde bereits verwarnt wurde, hat schlechte Karten. Kein Pardon kennt die Richterin bei Kriminaltouristen: «Die bekommen grundsätzlich einen Landesverweis!»