Keine Schlitten für orthodoxe Juden. Ein Aushang bei einer Bergbahn in Davos GR hatte vergangenen Winter für einen Aufschrei weit über die jüdische Gemeinschaft hinaus gesorgt. Seit langem ist das Verhältnis zwischen Einheimischen und den streng religiösen Touristen, die in der Ferienzeit jeweils in grosser Zahl nach Davos kommen, angespannt.
Pünktlich auf die bevorstehenden Sommerferien stellt der Jüdische Gemeindebund (SIG) nun ein Massnahmenpaket vor, mit dem die Situation verbessert werden soll. Das Ziel: die Förderung des Verständnisses zwischen den jüdischen Gästen und den Einheimischen.
Spitzendiplomat hat vermittelt
Die Massnahmen sind von einer Taskforce entwickelt worden, die vergangenen Herbst – noch vor dem Schlitten-Eklat – ins Leben gerufen worden war. Geleitet hat sie der ehemalige Top-Diplomat Michael Ambühl (72), dem ehemaligen Staatssekretär.
Das sind die wichtigsten Massnahmen:
- Zentrale Anlaufstelle: Während der Sommerferien soll eine zentrale Anlaufstelle in der Gemeinde geschaffen werden für jüdische Touristen, die auch als «Beratungsstelle bei allfälligen Konflikten oder Missverständnissen» dienen soll, wie es in einer Medienmitteilung heisst.
- Rabbiner beraten: Bei Bedarf stehen im Hintergrund auch Rabbiner zur Verfügung, die zur Beratung beigezogen werden können, zum Beispiel von der Tourismusorganisation.
- Mehr Vermittlerinnen: Das Projekt «Likrat Public» wird ausgebaut. In dessen Rahmen sind in den Sommerwochen Vermittlerinnen und Vermittler in der Gemeinde präsent, die die jüdisch-orthodoxe Lebensweise gut kennen. Die Wiederaufnahme dieser Massnahme war im Grundsatz bereits vor einigen Monaten beschlossen worden. Neu sollen mehr Personen vermitteln, die selbst einen streng orthodoxen Hintergrund haben.
- Neues Infomaterial: Man will Gästen und Einheimischen neues Infomaterial zur Verfügung stellen, in dem auf gewisse Verhaltensregeln und Anliegen der jüdischen Gäste aufmerksam gemacht wird.
- Sensibilisierung schon vor den Ferien: Längerfristig will man die ausländischen Touristen schon vor ihrer Reise in die Schweiz informieren und sensibilisieren. Dafür soll der Kontakt zu Aussenministerien und ausländischen Medien ausgebaut werden.
Ein neuer Anlauf zur Konflikt-Entschärfung
Die Massnahmen kommen diesen Sommer erstmals zum Tragen. Finanziert werden sie durch die Gemeinde Davos, die Tourismusorganisation und nicht näher genannte «externe Donatoren». Die Taskforce will ein Monitoring aufbauen, um zu analysieren, was die Massnahmen bringen.
Bereits in den vergangenen Jahren waren Vermittler im Einsatz, um Konflikte zwischen jüdischen Gästen und Einheimischen vorzubeugen. Das Projekt war 2019 initiiert worden. Vergangenen Spätsommer kündigte Davos Tourismus die Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Gemeindebund dann aber – man hielt das Projekt für gescheitert. Was für grosse Irritation beim SIG sorgte.
Dass man das Projekt nun weiterführe und gar ausbaue, bestätigte, dass der Ansatz sich in der Vergangenheit bewiesen habe, hält der SIG fest. Er streicht hervor, dass sich die Tourismus-Destination und die Gemeinde nun organisatorisch und finanziell stärker engagierten. Man sei deshalb zuversichtlich, dass das Projekt «nachhaltiger und umfassender Wirkung zeigen wird, als das mit den bisherigen Mitteln möglich war».