Michael Ambühl (72) hat für die Schweiz die bilateralen Verträge mit der EU ausgehandelt. Nun vermittelt der ehemalige Spitzendiplomat in Davos GR. Davos Tourismus hat Ambühl als Leiter einer Taskforce eingesetzt, die eine Lösung für die wiederkehrenden Konflikte zwischen Einheimischen und jüdisch-orthodoxen Touristen finden soll. Das berichtet Radio SRF.
Zuletzt hatte ein Aushang der Bergbahn Pischa einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Darin hiess es auf Hebräisch, dass man Jüdinnen und Juden keine Schlitten und andere Schneesportgeräte mehr ausleihe, weil einige orthodoxe Juden offenbar Schlitten entwendet hatten.
Eklat wegen Schlitten-Aushang
Ambühl führte bereits Gespräche
Die Taskforce ist laut Branschi bereits vergangenen Herbst gegründet worden. «Wir wollten jemanden mit Erfahrung, der mit einem solchen Konflikt umgehen kann», sagt Tourismusdirektor Reto Branschi (64) zum Engagement des Ex-Chefunterhändlers. Das Thema sei wichtig, deshalb habe man «einen der Besten auf seinem Gebiet» geholt.
Nach seiner diplomatischen Karriere beim Bund lehrte Ambühl an der Universität Zürich Verhandlungsführung und Konfliktmanagement. Er möchte derzeit keine Auskunft zu seinem Mandat geben.
Mitglied der Taskforce sind nebst Ambühl und Branschi der Davos Landammann Philipp Wilhelm (35) sowie zwei Vertreter jüdischer Organisationen. Hintergrund der Lancierung war der Ausstieg Davos' aus dem Dialogprojekt Likrat Public, wie Branschi gegenüber Blick sagt. Aus Sicht der Tourismusorganisation brachte dieses nicht den gewünschten Erfolg. Beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) hatte die einseitige Kündigung für Empörung gesorgt. «Unsere Einschätzung war eine fundamental andere. Aus unseren Erfahrungen, Berichten und Rückmeldungen wissen wir, dass das Projekt Wirkung zeigt», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner (45).
Bald sollen Lösungsvorschläge auf dem Tisch liegen
Was die Arbeit der Taskforce betrifft, sagt Tourismusdirektor Branschi, er habe mit Ex-Chefunterhändler Ambühl in den vergangenen Monaten in einem ersten Schritt mit Einheimischen wie Bauern, Personen aus der Gastronomie oder aus dem Detailhandel das Gespräch gesucht. In einem zweiten Schritt setzte sich Ambühl mit jüdischen Interessenvertreterinnen und -vertretern zusammen. Erst habe man herausfinden wollen, was genau die Probleme seien, um nun gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Ursprünglich war geplant, dass bis im März Lösungsvorschläge auf dem Tisch liegen. Dies könnte sich nun laut Branschi etwas verzögern. Grund dafür sei der Krieg im Nahen Osten, der die Terminplanung mit den jüdischen Vertretern verständlicherweise verzögert habe.
Vorgehen sorgt für Unmut
Etwas anders stellt die Angelegenheit der SIG dar. Bei der Organisation herrscht Unmut über das Vorgehen von Davos Tourismus. Der SIG kann nicht nachvollziehen, weshalb das seit mehreren Jahren laufende Dialogprojekt abgebrochen und stattdessen eine Taskforce eingesetzt wurde. Wobei bereits diese Bezeichnung beim SIG für Irritation sorgt. Der Vorwurf schwingt mit, dass Davos Tourismus die aus Sicht der jüdischen Interessenvertretung spärlichen Bemühungen zum Dialog nach dem jüngsten Vorfall überverkauft.
«Der neuste Fall zeigt, dass etwas in Davos ganz offensichtlich im Argen liegt», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner. Vergleichbare Probleme kenne man aus anderen Ferienregionen nicht – «im Speziellen in jenen, wo unser Dialogprogramm weiterhin aktiv ist». Man nehme zur Kenntnis, dass Davos Tourismus «einen neuen Weg gehen möchte», so Kreutner. «Wie dieser aussieht und wohin der führt, wissen wir aber noch nicht.» (lha)