Der Pächter des Restaurants und der Schlittenvermietung auf dem Gipfel der Pischa-Bahn ist sichtlich gestresst. «Alle drei Minuten erhalte ich ein Telefon», sagt Ruedi Pfiffner (61). «Ich war gar nicht da, als das Schreiben aufgehängt wurde. Ich stelle mich aber vor meine Angestellten. Als Chef stehe jetzt ich für den Fehler hin.»
Das Schreiben, das für Empörung sorgt
Ende letzter Woche hatte eine Angestellte von ihm beim Schalter der Schlittenvermietung ein Schreiben auf Hebräisch aufgehängt. Übersetzt auf Deutsch hiess es darauf: «Aufgrund diverser trauriger Vorfälle, darunter auch der Diebstahl eines Schlittens, vermieten wir keine Sportgeräte mehr an unsere jüdischen Brüder. Das gilt für alle Geräte wie Schlitten, Airboards, Skibockerl und Schneeschuhe. Vielen Dank für Ihr Verständnis.»
Wer die Verfasserin des Texts ist, will Boss Pfiffner nicht preisgeben. «Sie war schlicht mit der Situation überfordert, eines führte zum anderen», sagt er zu Blick. Und weiter: «Das Schreiben war sehr ungeschickt formuliert. Es hätte nicht passieren dürfen. Ich entschuldige mich dafür.»
Verfahren eröffnet
Die Entschuldigung wird aber nicht reichen. Die Zeilen sind ein klarer Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm. Denn: Aufgrund ihrer Religion werden alle Juden vom Schlittenmieten ausgeschlossen und somit herabgesetzt. Das ist kein Bagatelldelikt. Eine solche Diskriminierung wird mit Busse oder sogar Gefängnis bestraft. Die Behörden sind verpflichtet, eine Untersuchung zu eröffnen, wenn sie davon erfahren. Die Bündner Staatsanwaltschaft hat bereits bestätigt, dass sie ein Verfahren eröffnet hat.
In einer Mitteilung meldet sich auch die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) zu Wort. «Dies ist nicht nur ein bedenklicher Akt der Ausgrenzung, sondern auch ein klarer Verstoss gegen die Grundprinzipien der Gleichbehandlung und des Respekts und eine Form von Antisemitismus», schreibt die GRA.
Solch heftige Reaktionen hat man auf Pischa nicht erwartet. Den Text hat Pfiffner offenbar auch in der deutschen Übersetzung nicht verstanden. Er meint: «Das hat doch nichts mit Antisemitismus zu tun.» Er habe schon sehr viele schöne und gute Erfahrungen mit jüdischen Gästen machen dürfen: «Sie sind auch weiterhin willkommen. Ich bin bereit, mit den Betroffenen zu sprechen.»
Am Montag hängt er denn auch einen abgeänderten Text auf. Jetzt steht da: «Vermietung von Schlitten, Airboards und Skibockerl. Die Vermietung kann nur an Kundschaft mit entsprechender Ausrüstung (wintertaugliche Kleidung, Schuhe etc.) erfolgen.» Pfiffner hofft, dass sich irgendwie der ganze Sturm rund um den entgleisten Aushang legt.
«Wir müssen das irgendwie verarbeiten»
Das hofft auch der Betriebsleiter der Pischa-Bahn, Andreas Fluor (59). Er sagt: «Wir haben mit der Sache nichts zu tun. Wir befördern alle nach oben und sorgen für ihre Sicherheit. Nach dem Shitstorm könnten wir nun aber Einbussen erleiden, obwohl wir für die Schlittenvermietung nicht zuständig sind.»
Am schlimmsten trifft das entgleiste Plakat aber die jüdische Gemeinde. «Auch als nicht erkennbarer Jude werde ich von der Anweisung diskriminiert», sagt der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, Jonathan Kreutner (45). «Solche Zeilen sind im höchsten Grad herabsetzend.» Kreutner ist geschockt: «Es löst Entsetzen aus, dass im 21. Jahrhundert alle Menschen einer bestimmten Religion von einer Leistung ausgeschlossen werden sollen.»
Am Montag wagen sich trotz des rassistischen Plakats wieder orthodoxe Juden auf die Pischa. Auch zwei junge Männer, die letzte Woche vor dem Schreiben standen und vergeblich Schlitten mieten wollten. «Wir kommen, um zu sehen, ob das Schreiben noch hängt», sagt einer. «Wir müssen das Erlebte irgendwie verarbeiten.»