10 Millionen Menschen in der Schweiz. Das will die SVP mit ihrer Zuwanderungs-Initiative verhindern – und dafür notfalls auch die Personenfreizügigkeit mit der EU und damit die bilateralen Verträge kippen.
Der Bundesrat lehnte die Initiative an seiner Sitzung am Mittwoch ohne Gegenvorschlag ab. Allerdings stand ein solcher durchaus zur Debatte. Dem Vernehmen nach wollte SVP-Bundesrat Albert Rösti (56) ein altes Konzept aus der Schublade holen. Nämlich den bundesrätlichen Umsetzungsvorschlag zur Masseneinwanderungs-Initiative.
Sommaruga-Konzept blitzte ab
Blick zurück: Der 9. Februar 2014 ist ein Datum für die Geschichtsbücher. Das knappe Ja des Stimmvolks mit 50,3 Prozent und das deutliche Ständemehr zur Masseneinwanderungs-Initiative schüttelten Bundesbern richtig durch.
Die damalige SP-Migrationsministerin Simonetta Sommaruga (64) wollte Gespräche mit der EU für eine einvernehmliche Schutzklausel führen, notfalls eine solche aber auch einseitig durchsetzen. Mit einem neuen Zulassungssystem wollte sie dafür sorgen, dass der Bundesrat ab einer gewissen Zuwanderungsschwelle Höchstzahlen und Kontingente festlegen könnte. Dies zumindest temporär und auf Branchen abgestimmt.
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Das Parlament hingegen verwässerte die Initiative massiv, setzte einen «Inländervorrang light» durch. Branchen mit hoher Arbeitslosigkeit müssen seit 2018 offene Stellen erst der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) melden, die Arbeitgebern mögliche Kandidaten vorschlägt. Erst wenn das nicht fruchtet, dürfen Firmen die Stellen ausschreiben.
Nettozuwanderung angestiegen
Nach der Abstimmung von 2014 ging der internationale Wanderungssaldo, also die Differenz zwischen Einwanderung und Auswanderung, deutlich auf rund 40'000 Personen im Jahr 2018 zurück. Seither zeigt die Tendenz wieder nach oben, mit einem Plus von rund 70'000 Personen 2022 und einem Sprung auf über 140'000 Personen im letzten Jahr.
Rösti wollte daher das Sommaruga-Konzept wieder aufwärmen und versuchte, seinen Gspänli einen entsprechenden Gegenvorschlag schmackhaft zu machen. Er lief damit aber auf. Stattdessen fasste der jetzige Migrationsminister Beat Jans (59) den Auftrag, bis im April 2025 eine Botschaft auszuarbeiten.
Begleitmassnahmen sollen es richten
Anstelle eines Gegenvorschlags will der Bundesrat der Initiative mit Begleitmassnahmen den Wind aus den Segeln nehmen. Jans soll ein Konzept vorlegen, wie die negativen Auswirkungen der Zuwanderung gemindert werden können – beispielsweise im Miet- und Wohnungsbereich oder bei älteren Arbeitnehmenden.
Selbst eine Zuwanderungsabgabe muss Jans prüfen, hat der Ständerat doch einem entsprechenden Vorstoss von FDP-Ständerat Andrea Caroni (44, AR) bereits zugestimmt.
SVP verärgert
«Dass die Mitte-links-Mehrheit des Bundesrates die Volksinitiative ohne Gegenvorschlag ablehnt, grenzt an Arbeitsverweigerung», schimpft die SVP in einer Medienmitteilung.
Auch Fraktionschef Thomas Aeschi (45) zeigt sich verärgert: «Der Bundesrat unternimmt einmal mehr nichts gegen die masslose Zuwanderung von 1,5 Millionen Personen seit der Einführung der Personenfreizügigkeit vor 22 Jahren», sagt er zu Blick. Alles, was dem Bundesrat in den Sinn komme, seien «sozialistische Konzepte wie noch mehr Sozialwohnungen».
Dagegen will er ankämpfen. Im Gegenzug lädt er die anderen Parteien dazu ein, im Parlament nachzuholen, was im Bundesrat verpasst wurde. «Wir sind bereit, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten», so Aeschi. «Wir bieten Hand für einen wirkungsvollen Gegenvorschlag, der die Zuwanderung nachhaltig eindämmt.»