Jetzt ist es fix: Seit Dienstag sammelt die SVP Unterschriften für ihre neue Zuwanderungsinitiative. «Keine 10-Millionen-Schweiz», so der Slogan der Nachhaltigkeits-Initiative, wie die SVP ihr Volksbegehren nennt.
Das Übel sieht die SVP in der «unkontrollierten Einwanderung». Und diese will sie mit ihrer Initiative bremsen und notfalls stoppen.
Zwei-Stufen-Plan der SVP
Die Initiative sieht dabei zwei Stufen vor: Sobald die ständige Wohnbevölkerung die Limite von 9,5 Millionen Menschen überschreitet, muss der Bundesrat Massnahmen treffen – insbesondere im Asylbereich und beim Familiennachzug. Zudem soll der Bundesrat die «Neuverhandlung bevölkerungswachstumstreibender internationaler Übereinkommen» anstreben und allenfalls vorhandene Schutzklauseln anrufen.
Auf jeden Fall verhindern will die SVP eine Zehn-Millionen-Schweiz. Wird diese Grenze während einer Dauer von zwei Jahren überschritten, muss der Bundesrat etwa das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen.
Frontalangriff auf Personenfreizügigkeit
Die SVP lanciert mit ihrer Initiative erneut einen Frontalangriff auf den freien Personenverkehr. «Seit Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU vor 20 Jahren sind eineinhalb Millionen Personen netto in die Schweiz eingewandert» rechnete SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) an einer Medienkonferenz in Bern vor. Jedes Jahr würden rund 80'000 Personen neu hinzukommen.
Aeschi zählte auch gleich eine ganze Reihe an Problemen auf, welche die Migration in seinen Augen verursacht – von Wohnungsnot über Strommangel und überfüllte Zügen bis hin zu Ausländerkriminalität und «immer mehr Auslandsabhängigkeit bei der Lebensmittelversorgung».
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Eine Breitseite gegen den von der Wirtschaft monierten Fachkräftemangel mochte sich Aeschi erst recht nicht verkneifen. Von den «angeblichen Fachkräften», die aufgrund des freien Personenverkehrs in die Schweiz einwandern würden, «sind über die Hälfte nicht erwerbstätig, während von der anderen Hälfte viele nur Teilzeit arbeiten».
Sein Fazit: «Diese ungesteuerte und ungebremste Zuwanderung ist nicht nachhaltig und sie wird unsere Schweiz langsam zerstören, wenn wir dies nicht dringend ändern.»
Seco kontert
Zumindest was den Nutzen der EU-Personenfreizügigkeit betrifft, lieferte sich die SVP ein Fernduell mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Dieses präsentierte nämlich just vor der SVP-Medienkonferenz im gleichen Saal den neusten Bericht des Observatoriums zum freien Personenverkehr.
Dieser kommt zu einem positiven Schluss: Die Schweiz, so der Tenor, haben von der Migration profitiert. «Die Zuwanderung von Arbeitskräften ist Ausdruck davon, dass die Schweiz ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort und die Schweizer Unternehmen attraktive Arbeitgeberinnen für in- und ausländische Arbeitskräfte sind», so Seco-Direktorin Helene Budliger Artieda (58) vor den Medien.
Sie machte auch klar, worauf das starke Bevölkerungswachstum zurückzuführen ist: «Vier Fünftel ging auf die Zuwanderung zurück.» Insbesondere auf die Zuwanderung von Arbeitskräften, wie sie betonte. Aufgrund der Personenfreizügigkeit seien seit 2002 im Schnitt rund 43'000 Personen netto in die Schweiz gekommen.
Zwar bringe ein starkes Bevölkerungswachstum auch Herausforderungen mit sich. Diese sieht Budlinger aber nicht einfach in der Migration begründet, sondern als «Symptome einer prosperierenden Wirtschaftsentwicklung». Sie sprach von einem soliden Wohlstandszuwachs – «pro Kopf betrachtet wohlgemerkt».
Demografische Lücke im Arbeitsmarkt
Im Gegensatz zur SVP ortet der Observatoriumsbericht Probleme, weil sich durch die bevorstehenden Pensionierungen der geburtenstarken Jahrgänge die demografische Lücke im Arbeitsmarkt weiter öffnet.
«Im Mittel werden bis zum Jahr 2040 jährlich rund 20'000 Personen mehr das Rentenalter 65 erreichen als junge Personen 20 Jahre alt werden», hielt Boris Zürcher (59), Leiter der Direktion für Arbeit im Seco, fest. «Ein weiteres Wachstum der Bevölkerung im Erwerbsalter wird in Zukunft also noch stärker als bisher von der Zuwanderung abhängen.»
SVP versus Seco – die Schlüsse, welche die beiden aus der Zuwanderung ziehen, scheinen unvereinbar. Wer das Fernduell gewinnt, wird dereinst das Stimmvolk entscheiden.