Der Spruch ist eine Kampfansage an die Zuwanderung: «Es kommen zu viele und es kommen die falschen Ausländer.» SVP-Politiker wiederholen ihn bei jeder Gelegenheit. Denn ab kommendem Samstag gilt es ernst. Dann lanciert die Schweizerische Volkspartei ihre Nachhaltigkeits-Initiative.
Die Initiative fordert, das Bevölkerungswachstum zu beschränken. Bis 2050 soll eine Zehn-Millionen-Schranke gelten. Wächst die ständige Wohnbevölkerung darüber hinaus, wäre der Bund gezwungen, zu handeln. So müsste er alle internationalen Abkommen kündigen, die zum Bevölkerungswachstum beitragen – darunter auch die Personenfreizügigkeit mit der EU.
Alarm bei den Wirtschaftsverbänden
Für die Wirtschaftsverbände ist das eine Hiobsbotschaft. Valentin Vogt (62), Präsident des Arbeitgeberverbands, fasst sich kurz: «Weniger Zuwanderung heisst weniger Lebensqualität.» An einer Medienkonferenz versuchte er, der SVP-Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen – und verwies auf den Arbeitskräftemangel.
Eine Million Babyboomer geht in den nächsten zehn Jahren in Pension. Bis 2030 fehlt in der Schweiz eine halbe Million Arbeitskräfte. So besagt es eine Deloitte-Studie. Vogt zeichnet ein düsteres Zukunftsbild: «Restaurants stellen auf Selbstbedienung um. Der Taktfahrplan der Bahn wird ausgedünnt. Sie warten monatelang auf einen Handwerker, der bei Ihnen zu Hause die WC-Spülung repariert.»
Ausländer sollen entlasten
Deshalb ist für ihn klar: Die Schweiz darf das Abkommen zur Personenfreizügigkeit mit der EU nicht beenden – im Gegenteil. Es müsse weiterentwickelt werden. Dasselbe fordert der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Dessen Präsident Christoph Mäder sagt: «Das hiesige Arbeitskräftepotenzial reicht schlicht nicht aus dafür, dass die hohe Wertschöpfung alleine mit Inländern erzielt werden kann.» Insbesondere die Personenfreizügigkeit helfe eindeutig. 80 Prozent der Eingewanderten integrierten sich sofort in den Arbeitsmarkt.
In der Folge kämpfen die Wirtschaftsverbände gegen die SVP-Initiative. Zugleich betonen sie aber, dass die Zuwanderung allein nicht ausreiche, um die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu meistern. Deshalb fordern die Verbände weitere Massnahmen. Blick hat die zentralen Forderungen zusammengefasst.
Länger arbeiten
Die Wirtschaftsverbände bezeichnen es als «wirkungsvollsten Lösungsansatz», obwohl er politisch stark umstritten ist: Länger arbeiten. Würde das Rentenalter erhöht, nähme die Erwerbsbevölkerung zu. Gleichzeitig würde die Ausgabenlast der AHV reduziert. Zudem müsse man Fehlanreize abbauen, die das Arbeiten über das Rentenalter hinaus unattraktiv machen.
Potenzial im Inland besser ausschöpfen
Der Arbeitgeberverband schlägt vor, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. So sollen genügend bezahlbare Drittbetreuungsplätze für Kinder geschaffen werden. Konkret heisst das: mehr Kitas und Tagesschulen. Zur weiteren Entlastung müssten aus Sicht des Verbands Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt aufgenommen werden. Und um die allgemeinen Arbeitsstunden zu erhöhen, sollen negative Arbeitsanreize beseitigt werden. Aktuell kann es sein, dass eine höhere Beschäftigung der Eltern das Familien-Einkommen reduzieren kann. Dies wegen der Steuerprogression und der teuren Kinderbetreuung.
Weniger Stellen beim Staat
Der Staat hat in den vergangenen Jahren viel Personal eingestellt. Die Wirtschaftsverbände sehen das kritisch. Denn: Dadurch würde der Arbeitskräftemangel verschärft. Deshalb müsse das Stellenwachstum beim Staat gebremst werden. Die Politik dürfe dem Staat nicht immer mehr Aufgaben zuteilen. Zudem müsse der Staat eine Verzichtsplanung machen.
Produktivität steigern
Für die Wirtschaftsverbände ist die Rechnung einfach: Je stärker die Produktivität zulegt, desto stärker steigen die Löhne, die Lohnabzüge und die Steuerzahlungen. Dies alles würde die negativen Auswirkungen der demografischen Entwicklung bremsen. Deshalb müsse die Schweiz alles daran setzen, gute Rahmenbedingungen für Unternehmen zu erhalten und zu verbessern. Nur so gelinge es, an der vordersten Innovationsfront zu sein – und so letztlich den «Schmerz der demografischen Entwicklung» erträglich zu machen.