Streit um Bio-Pestizide
Herren verwässert eigene Trinkwasser-Initiative

Die Initiantin der Trinkwasser-Initiative behauptet, dass Bio-Pestizide bei Annahme ihrer Initiative weiterhin eingesetzt werden dürften. Früher hatte sie allerdings das Gegenteil gesagt.
Publiziert: 24.05.2021 um 18:40 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2021 um 19:55 Uhr
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Die Trinkwasser-Initiative spaltet das Land – und sogar die Biolandwirtschaft.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Wird eine Volksinitiative angenommen, dann aber nur lasch umgesetzt, laufen die Initianten in aller Regel Sturm. Das Paradebeispiel: die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP. Doch sollte die Trinkwasser-Initiative wider Erwarten am 13. Juni eine Mehrheit holen, könnte das Gegenteil passieren.

Die Initiative will, dass nur noch jene Bäuerinnen und Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide einsetzen. Welche Art Pestizide ist nicht genauer definiert. Wären auch diejenigen tabu, die heute im Biolandbau zugelassen sind – wie zum Beispiel das weitverbreitete Kupfer?

Initiantin Herren winkt ab

Die Gegner gehen angesichts der allgemeinen Formulierung natürlich vom «Worst Case» aus – und warnen entsprechend, dass die Initiative auch für die Biobäuerinnen und -bauern massive Konsequenzen hätte.

Initiantin Franziska Herren (54) hingegen winkt ab. Mittel, die im Biolandbau eingesetzt werden, seien nicht von der Initiative betroffen, betont sie. So steht es auch auf der Homepage der Initiative: Unter einer pestizidfreien Produktion verstehe das Volksbegehren eine Lebensmittelproduktion, die keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel einsetze. «Die im Biolandbau eingesetzten Stoffe sind von der Initiative nicht betroffen», heisst es.

Vor vier Jahren klang sie noch anders

Noch vor einigen Jahren klang das allerdings anders. Bei einem Referat im Januar 2018 am landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in Gränichen AG hatte die gelernte Fitnesstrainerin ein Argumentarium dabei, indem sie schrieb, dass die Initiative auch Pestizide natürlichen Ursprungs umfasse, «wie sie teilweise auch der Biolandbau benutzt». Konkret nannte sie auf Anfrage der Fachzeitung «Schweizer Bauer» 2017 unter anderem das Insektizid Pyrethrum, Paraffinöl und Kupfer, das vor allem im Wein- und Obstbau eingesetzt wird.

Die Initiative befand sich zu diesem Zeitpunkt im Sammelstadium. Erst, als der Bundesrat seine Botschaft zur Initiative verabschiedet hatte und darin vor den Folgen dieser warnte, änderte Herren ihre Meinung und sprach fortan davon, dass Bio-Mittel weiterhin erlaubt wären.

Herren sieht keinen Meinungswechsel

Herren will von einem Meinungswandel nicht wissen. «Wir haben der Initiative die Pestizid-Definition des Pestizid-Reduktionsplans Schweiz zugrunde gelegt», sagt sie. Dieser wurde von der Denkfabrik Vision Landwirtschaft herausgegeben und werde auch von Biosuisse mitgetragen. Herren zitiert daraus: «Die gegenwärtige starke Subventionierung des Pestizideinsatzes ist aufzuheben» und sagt, dass dabei «auch problematische, im Biolandbau derzeit noch eingesetzte Stoffe wie Kupfer oder einige Insektizide inbegriffen sind».

Dieses Ausstiegsbekenntnis des Biolandbaus und die Tatsache, dass die Forschung in wenigen Jahren einen Ersatz für die «problematischen Stoffe, derentwegen der Biolandbau immer wieder in der Kritik stand und steht» gefunden haben wird, ändert für Herren die Ausganslage. «Wir haben deshalb kommuniziert, dass die für den Biolandbau erlaubten Stoffe weiterhin eingesetzt werden dürfen. Dafür werden wir einstehen.»

Bauernchef Ritter kritisiert Hüst und Hott

Bauernverbands-Präsident Markus Ritter allerdings kritisiert das Hüst und Hott Herrens. Es zeige, dass die Initiative nicht durchdacht sei. «Frau Herren versucht jetzt zurückzurudern, weil sie gemerkt hat, dass der Text viel zu weit geht.»

Auch was die Futtermittel-Passage der Initiative anbelangt, werfen die Gegnerinnen und Gegner Herren vor, unsauber gearbeitet zu haben. So wäre laut Initiativtext eine weitere Bedingung für Direktzahlungen, dass Bauern ihre Tiere mit hofeigenem Futter ernähren können. Herren behauptet, dass diese Formulierung nur bedeute, dass Futtermittelimporte verboten würden. Ein Bauer soll weiterhin Heuballen vom Nachbarn kaufen dürfen.

«Volksentscheid ist Volksentscheid»

Ritter sagt, er wehre sich gegen die Ansicht der Befürworterinnen und Befürworter, dass man den Initiativtext bei einer Annahme ja flexibel auslegen könne. «Volksentscheid ist Volksentscheid», so der Mitte-Nationalrat. «Wenn das Stimmvolk Ja zu diesem Text sagt, dann ist das so. Dann muss es aber auch mit den Konsequenzen leben.»

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«Blick Abstimmungs-Kampf»:GLP-Moser gegen Bauernverbands-Ritter zur Trinkwasser-Initiative

Ritter markiert den Kompromisslosen, weil er genau weiss: Auch wenn er auf sein demokratiepolitisches Gewissen hört, würde die Initiative nicht so extrem umgesetzt, wie das gegnerische Lager nun warnt. Dafür würde die Bauernlobby sorgen.1

Darum gehts bei den Pestizid-Initiativen

Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.

Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.

Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.

Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.

Franziska Herren ist der Kopf hinter der Trinkwasser-Initiative.
Peter Mosimann

Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative stimmt die Schweiz am 13. Juni über zwei Vorlagen ab, die sich thematisch sehr ähnlich sind.

Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin Franziska Herren (54). Sie will unter anderem, dass nur noch jene Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Landwirte dürfen zudem nur so viele Tiere halten, wie sie mit Futter ernähren können, das auf dem eigenen Betrieb produziert wird.

Die Pestizid-Initiative, die von einem Bürgerkomitee aus der Westschweiz eingereicht wurde, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide – nicht nur für die Landwirtschaft. Es sollen auch keine Güter mehr importiert werden dürfen, bei deren Herstellung Pestizide zum Einsatz kamen.

Bundesrat und Parlament lehnen beide Initiativen ab.

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