Der neu gewählte Sicherheitsstaatssekretär wäre ein Sicherheitsrisiko für die Schweiz gewesen. Darum tritt Jean-Daniel Ruch (60) sein Amt am 1. Januar 2024 doch nicht an. Blick-Recherchen zeigen, sein Lebenswandel soll ihn erpressbar machen können. Im Verteidigungsdepartement (VBS) sieht man Ruchs Fraueneskapaden nach Überprüfung als mögliche Belastung fürs neue Staatssekretariat für Sicherheitspolitik an. Von strafrechtlich relevantem Fehlverhalten hat Blick keine Kenntnis.
Das VBS bestätigt, dass Ruch sich entschieden hat, nicht Staatssekretär zu werden. Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) soll ihre Bundesratskollegen erst kurzfristig vor der Regierungssitzung vom Mittwoch vorinformiert haben.
Ruch hatte als Botschafter im Juni 2019 die letzte erweiterte Personensicherheitsüberprüfung (PSP) durchlaufen, die höchste Stufe der Sicherheitsüberprüfungen beim Bund, in denen die Befragten selbst über ihr Sexualleben Auskunft geben müssen. Diese PSP wird alle fünf Jahre fällig. Die Bundeskanzlei hatte diese PSP durchgeführt und deren Ergebnisse an die Direktion für Ressourcen des Aussendepartements (EDA) weitergeleitet.
Laut Auskunft der Bundeskanzlei hätte es dem VBS frei gestanden, nochmals eine PSP durchführen zu lassen, bevor Ruch den Spitzenjob zugesprochen erhält. Dies verlangte das Departement von Mitte-Bundesrätin Amherd aber nicht.
Keine Bedenken
Dafür wurde eine Findungskommission eingesetzt, in der unter anderem EDA-Generalsekretär Markus Seiler (54) sass. Der einstige Geheimdienstchef hatte offenbar keine oder nicht schwerwiegende Bedenken an der Personalie Ruch geäussert, sodass die Kommission sich für den Botschafter entschied.
In Abrede gestellt
Nach Bekanntgabe von Ruchs Wahl Mitte September waren jedoch rasch Bedenken laut geworden. Sein Lebenswandel war Thema. Das VBS konfrontierte nach Blick-Informationen Jean-Daniel Ruch mit den Gerüchten. Ruch habe die Vorwürfe in Abrede gestellt, heisst es.
Für das VBS stellt sich die Lage offenbar anders dar. Fürs Departement war der designierte Sicherheitsstaatssekretär nicht mehr haltbar. Die Frage ist nun: War die PSP mangelhaft durchgeführt worden oder hatte sie Risiken aufgezeigt, die im EDA nicht ernst genommen und auch nicht ans VBS weitergegeben worden sind?
Untersuchung gefordert
Es sei ein grobes Versäumnis gewesen, dass nicht eigens nochmals eine PSP durchgeführt wurde, sagt SVP-Nationalrat Mauro Tuena (51), Präsident der Sicherheitskommission. «Bei dieser Stelle geht es um den obersten Verantwortlichen für die Sicherheit in diesem Land. Bei der Evaluierung wurden offensichtlich gravierende Fehler gemacht.» Der Bundesrat müsse bei seinen Sicherheitsmassnahmen dringend über die Bücher. Die Sicherheitskommission werde sich dem Thema sicher annehmen.
FDP-Präsident Thierry Burkart (48) verlangt Klarheit: «Es ist schwierig zu beurteilen, ob die Sicherheitsüberprüfung in diesem Fall versagt hat, ohne die konkreten Vorwürfe zu kennen. Aber wir werden das sicher untersuchen müssen», sagt der Sicherheitspolitiker. Es interessiere ihn schon, wie das vor sich gegangen sei.
Und auch der aus dem Parlament scheidende Mitte-Sicherheitspolitiker Alois Gmür (68) will wissen, was genau gelaufen ist: «Es braucht nun eine Administrativuntersuchung im EDA, um festzustellen, wo Fehler passiert sind.»
Auch für die grüne Nationalrätin Marionna Schlatter (42) muss der Bund über die Bücher. Es sei schon erstaunlich, dass es zu solchen Problemen bei einer Schlüsselposition im Bereich Sicherheit kommen kann, schickt sie voraus. Und dann: «Man muss nun das Assessmentverfahren unter die Lupe nehmen und die Personensicherheitsüberprüfungen anschauen.» Zudem gelte es zu regeln, wie man jetzt ohne Pannen zu einer neuen Person an der Spitze des Staatssekretariats für Sicherheitspolitik kommen könne.
Und die SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (55) ergänzt: «Eine Person in solch einem Amt muss absolut integer sein. Wenn die heutigen Sicherheitsüberprüfungen dies nicht garantieren können, muss die Geschäftsprüfungskommission sich diesen annehmen. Und für den Fall-Ruch braucht es eine Administrativuntersuchung im EDA.»
Ruch verlässt das EDA
Wie das EDA auf Anfrage mitteilt, hat es Kenntnis genommen vom Entscheid Jean-Daniel Ruchs, auf den Posten des Staatssekretärs für Sicherheitspolitik zu verzichten. «Er verlässt auf eigenen Wunsch auch das EDA», so ein Sprecher. Ruch bleibe bis Ende Jahr Botschafter in der türkischen Hauptstadt Ankara. Er werde das Departement am 30. Juni 2024 endgültig verlassen.
Und: «Jean-Daniel Ruch wird sich zu diesem Thema nicht weiter äussern.» Auch zu den konkreten Vorwürfen an seine Person nicht.
Das VBS wiederum betont auf Anfrage, es sei weiterhin vorgesehen, dass das neue Staatssekretariat am 1. Januar 2024 seinen Betrieb aufnimmt.