Vorletzten Freitag konnte Viola Amherd (61) triumphieren. Die Verteidigungsministerin verkündete vor Journalisten den neuen starken Mann in ihrem Departement. Jean-Daniel Ruch (60) führt ab nächstem Jahr das eigens geschaffene Staatssekretariat für Sicherheitspolitik, kurz Sepos.
Die Walliserin verbucht mit dem personellen Zuwachs den Sieg in einem Machtkampf mit FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (62); nicht von ungefähr erinnern die Aufgaben der künftigen Behörde zum Teil verdächtig an den Kernauftrag des Aussendepartements.
Über den Auserwählten weiss die Öffentlichkeit wenig. Der Diplomat ist parteilos, stammt aus dem bernjurassischen Moutier und leitet derzeit die Schweizer Vertretung in Ankara.
An mangelndem Selbstvertrauen scheint er nicht zu leiden: An besagter Medienkonferenz rezitierte er ein französisches Renaissance-Gedicht, wodurch er sich ohne Hemmungen vor seiner künftigen Vorgesetzten mit dem griechischen Sagenhelden Odysseus verglich.
Aufgefallen ist ausserdem sein engagiertes Votum für die Neutralität, die, wie er betonte, «viel zur Schweizer Soft Power» beitrage.
Neutralität oder Nato?
Das ist deshalb bemerkenswert, weil von seiner künftigen Chefin Amherd bekannt ist, dass sie seit Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine innerhalb des Bundesrats eine vergleichsweise Nato-freundliche Haltung vertritt; im Juli hat sie im Beisein ihrer österreichischen Amtskollegin den Schweizer Beitritt zum europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield angekündigt.
Womit sich die Frage aufdrängt, die von Kommentatoren bereits zwischen den Zeilen angedeutet worden ist: Wie loyal hält der Beförderte zu seiner neuen Herrin – und wie tickt er persönlich in neutralitätspolitischen Fragen?
Vor diesem Hintergrund lässt aufhorchen, was sich Diplomat Ruch auf dem Business-Netzwerk Linkedin geleistet hat. Dort publizierte ein ehemaliger Bundesbeamter aus der Westschweiz einen euphorischen Beitrag über Ruchs Ernennung; der Verfasser ist überglücklich, dass Ruch die «ehrgeizige und intrigante» Pälvi Pulli (52) ausgestochen habe. Die Botschafterin und Sicherheitsexpertin im VBS hatte sich dem Vernehmen nach ebenfalls für den Job interessiert.
Und möge, so heisst es im Text weiter, der neue Staatssekretär das «chaotische Abdriften» des Landes in Richtung Nato stoppen. Das sei allerdings angesichts der «Nato-Hörigkeit» («tropisme otanien») «unserer Kriegsministerin» und ihrer Partei eine «Herkulesaufgabe». Gemeint sind damit natürlich Viola Amherd und ihre Partei Die Mitte.
Für dieses Unterfangen aber, schreibt der Urheber der Tirade weiter, müsse Ruch zuerst seine «zukünftige Untergebene» Pälvi Pulli, die ein «beeindruckender Nato-Turbo» sei, «in eine Kiste stecken».
Als ob diese Zeilen nicht ohnehin schon genug heikel wären, kommt jetzt erst der eigentliche Clou: Von Ruch gabs für dieses Pamphlet einen Daumen nach oben; er drückte «Gefällt mir».
Ziemlich undiplomatisch für einen Diplomaten.
Wie geht das mit den «gemeinsamen Werten» zusammen, die Amherd und ihr zukünftiger Spitzenbeamter eben noch öffentlich beschworen haben? Offenbar gab es mehrere Medienanfragen dazu, am Samstag berichtete auch CH Media über den Vorfall.
Nachdem sich SonntagsBlick am Freitagmorgen beim VBS erkundigt hatte, folgte nur wenige Stunden später die persönliche Erklärung von Jean-Daniel Ruch: Er habe den Text, den er mit einem Klick würdigte, gar nicht gelesen.
«Aussagen übersehen»
«Ich habe den Post meines ehemaligen Arbeitskollegen gelikt, der mir zur Ernennung gratuliert hat», teilt Ruch mit. «Die unten stehenden Textpassagen mit den Aussagen betreffend Bundesrätin Viola Amherd und Botschafterin Pälvi Pulli waren nicht sichtbar und habe ich übersehen.» Er distanziere sich «in aller Form» von den Äusserungen gegenüber Amherd und Pulli.
Erst dank der Anfrage sei er sich des Inhalts «bewusst geworden» und habe den Like wieder entfernt.
Stattdessen fügte er nachträglich unter dem streitbaren Post einen Kommentar an: «Vielen Dank für das Kompliment, aber ich schätze die Arbeit der Bundesrätin und freue mich auf die Zusammenarbeit mit Frau Pulli.»
Das EDA als Ruchs Noch-Arbeitgeber will zum Fall auf Anfrage nichts beifügen.