Das ist eine Überraschung! Für die Führung des geplanten Staatssekretariats für Sicherheitspolitik (Sepos) von Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) zaubert die Regierung einen Namen aus dem Hut, den kaum jemand auf der Rechnung hatte: Jean-Daniel Ruch (60), heutiger Botschafter in der Türkei. Amherd spannt Aussenminister Ignazio Cassis (62) also einen wichtigen Diplomaten aus.
Der Bundesrat preist Ruch als profunden Kenner des sicherheitspolitischen Systems im In- und Ausland an, der sich gegen 38 Mitbewerbende durchgesetzt hat. Nachdem er in Genf internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik studiert und drei Jahre lang im damaligen Militärdepartement als Analyst für internationale Beziehungen gearbeitet hatte, trat Ruch 1992 eine diplomatische Laufbahn an.
Die Übernahme des neuen Staatssekretariats sei für ihn eine Rückkehr zu den Wurzeln seiner Berufskarriere, meinte der Bernjurassier am Freitag vor den Medien. Das allerdings ist über 30 Jahre her. Die Strukturen der Schweiz hätten sich seither aber kaum verändert, versicherte Ruch. Auch habe er als Diplomat immer wieder eng mit dem Schweizer Sicherheitssektor zusammengearbeitet.
Gegen meistgenannte Favoritin durchgesetzt
Sein Werdegang umfasste zunächst Stationen bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder als politischer Berater der damaligen Chefanklägerin Carla del Ponte (76) des Internationalen Strafgerichtshofes für Ex-Jugoslawien in Den Haag. Ab 2008 arbeitete er als Sonderbeauftragter für den Mittleren Osten, bevor er 2012 Chef der Schweizer Mission in Belgrad, später in Tel Aviv und ab 2021 in Ankara wurde.
Der Personalentscheid wurde schon seit ein paar Wochen erwartet. Als Favoritin gehandelt worden war stets Pälvi Pulli (52), die heutige Leiterin Sicherheitspolitik im Verteidigungsdepartement VBS. Immer wieder war zu hören, dass sie auch Amherds Wunschkandidatin gewesen sein soll.
Pulli aber soll verschiedentlich auf Skepsis gestossen sein. Bei der SVP ist sie etwa als «Internationalistin» verschrien, die eine Annäherung an die Nato vorantreiben will und wenig von einer strikten Neutralität hält. Auch aus der Armee waren immer wieder kritische Stimmen zu hören. Das Militär soll sich von Pulli zu wenig ernst genommen fühlen. Mit Ruch habe man nun jemanden gefunden, der politisch weniger vorbelastet sei, finden Kenner.
Pulli soll nun im neuen Staatssekretariat die Abteilung Strategie und Koordination übernehmen.
Ukraine-Krieg hat den Anstoss gegeben
Schon ab nächstem Jahr soll das Staatssekretariat seine Arbeit aufnehmen und dem gesteigerten Koordinationsbedarf unter den involvierten Stellen Rechnung tragen. Gemeinsam mit dem Nachrichtendienst des Bundes, dem Bundesamt für Polizei und den zuständigen Stellen im Aussendepartement soll es die nationale und internationale Sicherheitslage analysieren.
Anstoss zum neuen Staatssekretariat habe der Ukraine-Krieg gegeben, hatte Verteidigungsministerin Amherd schon im April erklärt: «Dieser Krieg führt uns vor Augen, dass dringender Handlungsbedarf besteht.» Neben militärischen Mitteln würden Kriege zunehmend mit hybriden Mitteln geführt.
Dazu gehörten Cyber-Angriffe, Desinformation, Beeinflussung, Druckversuche oder Erpressung bis hin zu verdeckten Operationen. Sicherheitspolitik könne sich daher nicht auf Verteidigung beschränken, so die Bundesrätin. Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass kritische Infrastrukturen auch unterhalb der Kriegsschwelle angegriffen werden. Auch in der Schweiz ist eine Zunahme von Cyber-Attacken spürbar. Hier gelte es, die Kräfte zu bündeln.
Gleichzeitig solle Ruch auch die Zusammenarbeit mit den ausländischen Partnern weiter stärken, betonte Amherd. Das entspreche den Beschlüssen des Gesamtbundesrats.
Wie aber das neue Staatssekretariat genau aufgebaut sein und welche Aufgaben es im Detail erfüllen soll, ist bis heute nicht bekannt. Oder wie es Amherd vor den Medien formulierte: «Auf den neuen Staatssekretär kommen anspruchsvolle, aber auch spannende und wichtige Herausforderungen zu.»