«Die Post ist heute sauber», versicherte deren Präsident Christian Levrat (51) am 11. März im Blick. Zwei Monate später weckt die zum Konzern gehörende Postfinance Zweifel.
Es geht um deren Immobilienportfolio – und den Verdacht, der Staatskonzern zocke Mieterinnen und Mieter ab. Ähnliche Vorwürfe gibt es an die SBB, die 3500 Wohnungen im Portfolio haben: Ziel der SBB-Sparte Immobilien unter Chef Alexander Muhm (52) ist es, mit Marktmieten möglichst hohe Erträge zu erzielen, wie ein internes Papier zeigt.
SBB wollen Marktmiete
Dazu muss man wissen: In der Schweiz wird zwischen Kostenmiete und Marktmiete unterschieden. Wie der Name sagt, beruht die Kostenmiete auf den anfallenden Kosten des Vermieters. Hingegen bestimmen bei der Marktmiete Angebot und Nachfrage den Mietzins. Völlig frei sind Vermieter aber nicht. Sie dürfen den Mietpreises nicht so festsetzen, dass sie eine zu hohe Rendite haben. Zudem sieht das Recht eigentlich vor, von der Kostenmiete auszugehen.
Auch den SBB. Laut dem internen Papier, das Blick vorliegt, wollen die SBB alle ihre Mietobjekte zur Marktmiete anbieten. Das könne bei Liegenschaften an zentraler Lage dazu führen, dass Klagen Erfolg haben, so die Analyse aus dem Jahr 2019, die an ein heutiges Geschäftsleitungsmitglied von SBB-Immobilien ging.
Risiko Europaallee
Explizit erwähnt wird darin die Europaallee am Zürcher Hauptbahnhof, «wo die tieferen Mieten der kleineren Läden im Erdgeschoss über die höheren Mieten der darüberliegenden Büros abgefangen werden».
Mit dem Papier liessen die SBB klären, wie gross das Risiko ist, vor dem Richter zu unterliegen, wenn Mieterinnen und Mieter den Mietzins anfechten. Es kommt zum Schluss, dass man das Risiko in Einzelfällen in Kauf nehmen kann. Vor allem, weil es für Mieter sehr schwierig sei zu beweisen, dass der Mietpreis ungerecht hoch ist.
Achtung Medien!
Bei einer Erhöhung des Wohnungsmietzinses um mehr als zehn Prozent empfiehlt die Autorin jedoch, darauf zu achten, wie der Austausch unter den Mietern sei. Solange nur einzelne Mietparteien mit einer Anfechtung durchkämen, sei das verkraftbar. Denn dann überwiege der Vorteil der Marktmiete – der höhere Gewinn. «Wehren sich aber daraufhin mehrere Mieter der Liegenschaft, dürfte das anders aussehen», heisst es wörtlich.
Zudem warnt die Autorin vor dem Reputationsrisiko für den Bundesbetrieb, wenn bekannt wird, dass viele Mieter der SBB klagen. «Eine medienwirksame Anfechtung» solle vermieden werden.
Die SBB-Pressestelle widerspricht den Aussagen im Papier, dass die SBB das Ziel hätten, alle ihre Mietobjekte nach Marktmiete anzubieten. Die SBB-Wohnungen seien am Markt im Schnitt gar günstiger als üblich, ja ein Drittel sogar «preisgünstig». Man verfolge das Ziel, rund die Hälfte aller Wohnungen im preisgünstigen Segment anzubieten.
Vorstoss gegen Bundesbetriebe
Bei der Politik kommt das dennoch schlecht an: «Das von Ihnen zitierte Papier zeigt: Die SBB wissen, dass ihr Ziel, möglichst viele Wohnungen zur Marktmiete anzubieten, zu überhöhten und damit widerrechtlichen Mietzinsen führt», so Tobias Vögeli, Co-Präsident der Jungen GLP. Er wehrt sich zusammen mit GLP-Nationalrat Beat Flach (57) gegen ungerecht hohe Mieten, die die Staatsbetriebe verlangen.
Flach hat diese Woche einen Vorstoss für Mietzins-Transparenz eingereicht. Staatsbetriebe sollen verpflichtet werden, die Mietzinse und Renditen der Objekte regelmässig zu veröffentlichen.
Der Immobilien-Tycoon unter den Staatsbetrieben sind die SBB. Sie nennen nicht nur 800 Bahnhöfe ihr Eigen, sondern haben auch rund 160 Anlageobjekte in Planung und Errichtung – und sie vermieten Gewerberäume sowie rund 3500 Wohnungen.
Vergangenes Jahr machte die SBB-Immobiliensparte unter Chef Alexander Muhm (52) knapp eine Milliarde Franken Umsatz – davon mehr als 600 Millionen durch Vermietungen an Dritte. Und der Konzern hat hochfliegende Pläne: In 15 Jahren will man eine Milliarde Franken mit Mieten einnehmen, rund ein Viertel davon durch Wohnungen.
Die anderen Staatsbetriebe backen deutlich kleinere Brötchen: Die Schweizerische Post verfügt über 671 Liegenschaften. «Wir nutzen unsere Liegenschaften in erster Linie selber», sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Rund zwei Drittel der Immobilien seien in Eigennutzung, etwa ein Drittel werde vermietet. Von den externen Vermietungen entfalle nur ein kleinerer Teil auf Wohnungen.
Bei der Swisscom tönt es ähnlich. Zahlen will der Telekom-Riese nicht herausgeben, man sei aber «kein bedeutender Anbieter auf dem Immobilienmarkt», so ein Sprecher. Sogar in den eigenen Büros sei man eingemietet. Dort, wo der Swisscom technische Betriebsgebäude wie etwa Telefonzentralen gehören, vermiete man einzelne Räume, die sonst leer stehen würden. Das können mal Büros sein, mal Lager, mal Werkstätten und ganz selten auch Wohnungen, wie auf dem Swisscom-Immoportal zu sehen ist. Insgesamt würden nur etwa zehn Prozent der Betriebsgebäude teilweise vermietet. Sermîn Faki
Der Immobilien-Tycoon unter den Staatsbetrieben sind die SBB. Sie nennen nicht nur 800 Bahnhöfe ihr Eigen, sondern haben auch rund 160 Anlageobjekte in Planung und Errichtung – und sie vermieten Gewerberäume sowie rund 3500 Wohnungen.
Vergangenes Jahr machte die SBB-Immobiliensparte unter Chef Alexander Muhm (52) knapp eine Milliarde Franken Umsatz – davon mehr als 600 Millionen durch Vermietungen an Dritte. Und der Konzern hat hochfliegende Pläne: In 15 Jahren will man eine Milliarde Franken mit Mieten einnehmen, rund ein Viertel davon durch Wohnungen.
Die anderen Staatsbetriebe backen deutlich kleinere Brötchen: Die Schweizerische Post verfügt über 671 Liegenschaften. «Wir nutzen unsere Liegenschaften in erster Linie selber», sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Rund zwei Drittel der Immobilien seien in Eigennutzung, etwa ein Drittel werde vermietet. Von den externen Vermietungen entfalle nur ein kleinerer Teil auf Wohnungen.
Bei der Swisscom tönt es ähnlich. Zahlen will der Telekom-Riese nicht herausgeben, man sei aber «kein bedeutender Anbieter auf dem Immobilienmarkt», so ein Sprecher. Sogar in den eigenen Büros sei man eingemietet. Dort, wo der Swisscom technische Betriebsgebäude wie etwa Telefonzentralen gehören, vermiete man einzelne Räume, die sonst leer stehen würden. Das können mal Büros sein, mal Lager, mal Werkstätten und ganz selten auch Wohnungen, wie auf dem Swisscom-Immoportal zu sehen ist. Insgesamt würden nur etwa zehn Prozent der Betriebsgebäude teilweise vermietet. Sermîn Faki
Liege ein überhöhter Mietpreis vor, müsse heute nämlich die Mieterschaft die Missbräuchlichkeit beweisen. «In der Praxis ist dieser Beweis schwer zu erbringen», so Flach. Deshalb gebe es eine Mitwirkungspflicht des Vermieters, der seine Berechnungsgrundlage offenlegen muss.
Postfinance streitet
Es gibt jedoch eine Ausnahme – die bei Staatsunternehmen regelmässig greift: wenn eine Immobilie 30 Jahre denselben Eigentümer hat. Oft verweigerten Immobilienbesitzer mit Verweis auf diese Ausnahme die Herausgabe der Berechnungsgrundlage.
Und hier kommen wir wieder zur Post beziehungsweise zu deren Tochter Postfinance. Der Mieterverband streitet vor Gericht um die Herausgabe dieser Angaben bei einer Liegenschaft in Zürich-Oerlikon. Der Umstand, dass sich Postfinance gegen eine Veröffentlichung wehrt, deutet darauf hin, dass der Mietzins zu hoch ist.
Auf Anfrage sagt die Post, sie lege viel Wert auf eine faire Mietzinspolitik. Die Oerliker Liegenschaft sei in den letzten Jahren komplett modernisiert und umgenutzt worden. «Konkret haben wir aus Büroräumlichkeiten Wohnraum geschaffen, den wir nun zu moderaten Konditionen vermieten – insbesondere auch im Vergleich zu den an diesem Standort herrschenden orts- und quartierüblichen Mietzinsen».
SBB seien «korrekt»
Postfinance weigere sich nicht, ihre Renditeberechnungen bei mietrechtlichen Verfahren offenzulegen. Man könne sich zum hängigen Gerichtsverfahren aber nicht weitergehend äussern. Von der Gegenpartei wird das anders dargestellt.
Auch die SBB sagen, sie wollten eine faire Vermieterin sein. Der Staatsbetrieb geht davon aus, dass er die Mietpreise «korrekt und in angemessener Höhe festlegt». Aber: «Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass aufgrund der unklaren Rechtslage ein Anfechtungsrisiko in Einzelfällen besteht.»
Für Staatsbetriebe, die den Schweizerinnen und Schweizern gehören, wäre Mietabzocke mehr als stossend. Sie lässt sich auch nicht mit den bundesrätlichen Zielen vereinbaren, die von der Post wie den SBB verlangen, eine «nachhaltige und ethischen Grundsätzen verpflichtete Unternehmensstrategie» zu verfolgen.
Müssten die Bundesbetriebe ihre Renditen offenlegen, wäre klar, wie sauber SBB und Post wirklich sind.