Helmut Hubacher (†94) hatte es angekündigt. «Eine schwere gesundheitliche Belastung wirft mich aus der Bahn. Ich muss mich verabschieden», schrieb er in seiner letzten BLICK-Kolumne von Anfang Juli. Er tat es mit einer Ode an die Schweiz, die er so geliebt hat.
Sein Tod kommt deshalb nicht überraschend. Und doch ist er schwer zu fassen. Für viele war Helmut Hubacher einfach immer da und hat mit wachem Geist die Welt beobachtet – und kommentiert. Nun ist er für immer gegangen, wie sein Sohn bestätigt. Hubacher ist nach kurzer Krankheit am Mittwoch im Spital von Porrentruy JU verstorben. Der grosse Sozialdemokrat wird fehlen.
«Dann wird er gemeingefährlich»
Bis zuletzt war Hubacher ein gefragter Mann. Regelmässig kommentierte er im BLICK das Geschehen, so wie einst als Chefredaktor der verblichenen Basler Arbeiter-Zeitung. Ein bürgerlicher Ratskollege meinte einst: «Der Hubacher ist schon recht; nur wenn er eine Schreibmaschine in die Hand bekommt, wird er gemeingefährlich.»
Hubacher, der aus einfachen Verhältnissen stammte und eine Lehre bei den SBB absolvierte, rutschte 1963 für die Basler SP in den Nationalrat nach. In Bern machte er sich rasch einen Namen als Armeekritiker. Er brachte vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit, worauf ihn die Militärjustiz ins Visier nahm.
Im Visier der Bürgerlichen ...
Es war die Zeit des Kalten Kriegs. Kritik an der Armee galt als Landesverrat. Hubachers parlamentarische Immunität sollte aufgehoben werden, um ihn zum Schweigen zu bringen – vergeblich. Im Gegenteil: Von Hubacher mitinitiiert, brachte eine Parlamentarische Untersuchungskommission unter dem späteren Bundesrat Moritz Leuenberger (73) den Fichen-Skandal ans Licht.
Für die Bürgerlichen wurde Hubacher zum roten Tuch. Als er für die Basler Regierung kandidierte, gründete sich ein «Aktionskomitee für eine vertrauenswürdige Regierung». Hubacher scheiterte. Die bürgerliche Abneigung aber adelte ihn dafür in den eigenen Reihen: 1975 wählten ihn die Sozialdemokraten zu ihrem nationalen Präsidenten.
... und von Parteifreunden
Die legendäre «Viererbande» begann, in der SP die Strippen zu ziehen. Zu dieser gehörten neben Hubacher auch Andreas Gerwig (1928–2014), Walter Renschler (1932–2006) und die spätere Bundesratskandidatin Lilian Uchtenhagen (1928–2016). Die vier sassen vorne im Nationalrat – und die Genossen wussten, wie sie abzustimmen hatten.
Eine der schmerzlichsten Niederlagen war 1983 das Scheitern von Bundesratskandidatin Uchtenhagen. Otto Stich (1927–2012) wurde an ihrer Stelle gewählt – gegen den Willen Hubachers. Das brachte den Traditionalisten innerhalb der Partei Aufwind: Mehr als einmal forderten sie den Rücktritt Hubachers – erfolglos.
«Schampar unbequem»
Als Fels in der Brandung beschrieb ihn BLICK-Kolumnist Frank A. Meyer kürzlich: «Die Gegner, oft seine erbitterten Feinde, kamen und gingen – er blieb.» Auch nach seinem Rücktritt als Parteipräsident 1990 blieb Hubacher noch sieben Jahre im Nationalrat.
Angetrieben wurde Hubacher all die Jahre auch von seiner Frau. «Gret war immer ein bisschen radikaler als er», sagte einst sein langjähriger Weggefährte Jean Ziegler (86), «vielleicht sein linkes Gewissen.» So blieb sich Hubacher stets treu, blieb stets «schampar unbequem».
Die Politik hat Helmut Hubacher bis zuletzt nicht losgelassen. Er liebte die Diskussion, war bis zuletzt unermüdlich, hellwach und pointiert. Von seinem Feriendomizil im jurassischen Courtemaîche aus blieb der Unruhestifter bis zuletzt kein bisschen leise. Nun ist er doch verstummt. (dba)