Kolumne «Der Alte»
Die Schweiz ist noch die gleiche

Die Corona-Krise hat längst nicht alles verändert. Firmen wälzen Kosten auf die Steuerzahler ab, Firmenbesitzer verdienen astronomisch viel mehr als ihre Angestellten. Das, zum Beispiel, ist immer noch so.
Publiziert: 02.06.2020 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 20.08.2020 um 08:18 Uhr
Helmut Hubacher, ehemaliger SP-Chef.
Foto: Thomas Buchwalder
Helmut Hubacher

Nach elf Wochen Hausarrest ist das Leben erträglicher geworden. Soweit ich den Überblick habe, ist die Arbeitswelt für die Beschäftigten ungemütlicher geworden. Das haben wir schon oft erlebt. Nie so brutal.

Ich habe im Hausarrest drei jungen Maturanden bei ihrer Arbeit helfen dürfen. Normalerweise treffen wir uns persönlich. Jetzt schickten sie mir ihre Fragen per Post, und ich beantwortete sie schriftlich. Mich interessiert jedes Mal, wer mich empfohlen hat. Meistens ist es der Grossvater.

Solche Hilfsdienste freuen mich. Sie sind auch für mich eine gute Übung. Einer der drei wählte den Sozialstaat zu seinem Thema. Da fiel mir Friedrich Dürrenmatt ein. Eine absolute Gerechtigkeit hielt er für undenkbar. Sich für mehr Gerechtigkeit zu engagieren, sei Pflicht.

Duden versus Versicherungen

Meine Parteikollegin Jacqueline Badran, Nationalrätin, berichtet Brisantes. Als Unternehmerin weiss sie, dass man sich gegen eine Epidemie versichert. Wer nicht am falschen Ort spart, ist gut versorgt. Irrtum.

Von Jacqueline erfahre ich, die Versicherungen hätten einen Ausweg gefunden. Nämlich, das Coronavirus sei eine global wütende Pandemie, keine Epidemie. Waseliwas ist der Unterschied? Pandemie ist nicht versichert. Zahlen tun wir Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Die Corona-Krise hat diese unsere Schweiz nicht verändert.

Für Wortschöpfungen ist der Duden unschlagbar. Ich lese: «Pandemie, Länder erfassende Seuche, Epidemie grossen Ausmasses.» Nach einem Freibrief für Versicherungen tönt das nicht. Oder?

Macht Martullo-Blocher alles selbst?

Noch ein Hammer wie schon immer gehabt. Die Gewerkschaft Unia hat sich Richtung Domat-Ems orientiert. Genau gesagt Richtung Familie Blocher. Sie kassiert mehr Dividenden als die dreitausend Ems-Beschäftigten Lohn beziehen. Das ist einmalig in der Schweiz. Als ob Madame den Gewinn allein verdienen würde.

Die Corona-Krise hat uns für Jahrzehnte Schuldenabzahlungen eingebrockt. Wir sind immer noch besser dran als viele andere. Aber nicht alle. Das Bundesamt für Statistik weckt uns hart: In der Schweiz leben 660'000 Armutsbetroffene an der Grenze der existenziellen Not. Darunter 144'000 Kinder. Ich betone: Sie leben bei uns in der Schweiz.

Helmut Hubacher (93) war von 1975 bis 1990 Präsident der SP Schweiz. Er schreibt jeden zweiten Mittwoch im BLICK.

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