Es hat einen Moment gedauert, doch mittlerweile hat sich der Bundesrat den EU-Sanktionen gegenüber Kriegstreiber Russland weitgehend angeschlossen. Ausnahmen behält er sich aber ausdrücklich vor. Und davon wird er im Rahmen des nächsten Sanktionspakets wohl Gebrauch machen.
Die EU hat nämlich die russischen Staatssender «Russia Today» (RT) und «Sputnik» Anfang März gesperrt. Die Sperrung in der Schweiz steht nun ebenfalls zur Debatte. Bloss, einig ist sich der Bundesrat nicht. Der zuständige SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) will auf die Sperre verzichten. Mitte-Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) hingegen will auch diese EU-Sanktion übernehmen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Ihr Departement will die «erwiesenermassen vom Kreml gesteuerte und finanzierte Propagandainstrumente» vom Bildschirm verbannen.
SP-Wermuth kritisiert Amherd
Darüber ärgert sich SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (36). Auf Twitter fährt er Amherd an den Karren: «Verbale Angriffe auf Bürgerinnen und Bürger, die ihre Volksrechte wahrnehmen, Verbote von Fernsehsendern ...», schreibt er da. Und weiter: «Entschuldigung, aber könnte da jemand im VBS und bei Viola Amherd bitte den demokratischen Kompass wieder richten?»
Wermuth spielt einerseits auf Amherds Aussage an, dass die Initianten gegen die F-35-Beschaffung die Unterschriftensammlung doch abbrechen möchten. Andererseits auf das geforderte Verbot der russischen Propaganda-Sender.
Auch Sommaruga will Verbot
Bloss, bei Letzterem müsste Wermuth zuerst im eigenen Haus aufräumen. Denn nicht nur Amherd will den Russen-Sendern den Garaus machen, sondern auch SP-Medienministerin Simonetta Sommaruga (61).
Blick weiss: In einem am Donnerstag verschickten Mitbericht zeigt sich Sommaruga mit Parmelins Vorschlägen zur Übernahme des vierten Sanktionspakets nämlich «nur teilweise einverstanden». Sie stellt denn auch gleich den Antrag, den fraglichen Artikel «2f» der entsprechenden EU-Verordnung ins neue Paket zu übernehmen.
Angesicht der gravierenden Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzung durch Russland in der Ukraine sei die Sanktion gerechtfertigt, so die Argumentation. Obwohl bei uns Wirtschaftsfreiheit herrsche, gebe es Wirtschaftssanktionen. Und trotz Medienfreiheit seien in diesem Fall auch Sanktionen gegen die betreffenden Sender gerechtfertigt.
Es handle sich um Sender, welche gerade auch in diesem Krieg gezielt und einseitig die Propaganda und Desinformation der russischen Regierung verbreiten und keine abweichenden Meinungen zulassen würden. In Abwägung dieser Aspekte sei eine Sperre vertretbar, heisst es.
Wermuth: «Falscher Weg»
Wermuth müsste also erst mal bei der eigenen Genossin intervenieren. Er kenne die Haltung Sommarugas in dieser Frage nicht, sagt er gegenüber Blick.
Ein Sender-Verbot hält er aber für den falschen Weg. «Als Demokratie müssen wir Propaganda primär mit Wahrheit bekämpfen und jene Medien stärken, die korrekte Informationen liefern.» So sehr die Russen-Sender auch «völlig absurde Inhalte» verbreiten würden, sei ein Verbot nicht die richtige Reaktion auf einen Autokraten wie Putin. Und: «Auch der amerikanische Sender ‹Fox News› und hierzulande die ‹Weltwoche› betreiben teilweise Kreml-Propaganda. Was würde man dann mit denen machen?»
Anstatt russische Sender zu verbieten, müsse man den Angriff der SVP auf die SRG bekämpfen. «Das ist die wirkliche Gefahr für die Meinungsäusserungs- und Medienfreiheit in unserem Land.»
Bundesrat wohl gegen Sperre
Ob Sommaruga Wermuths Bedenken hört? Wobei, ins Gewissen reden werden ihr die anderen Bundesrätinnen und Bundesräte wohl gleich selbst. Insider in Bundesbern gehen nämlich davon aus, dass die Landesregierung auf die Sperre – zumindest vorerst – verzichten wird.
In der Schweiz werde die freie Meinungsäusserung hochgehalten, ein Medienverbot sei daher heikel und unverhältnismässig, so die Überlegung. Man könne nicht Autokratien vorwerfen, sie würden unliebsame Medien und Journalisten aussperren, und dann dasselbe machen. Mit einem Verbot spiele man Putin-Verstehern erst recht in die Karten.
Sperre leicht umgehbar
Kommt hinzu, dass Swisscom, Sunrise UPC und Salt die Inhalte von «Russia Today» bereits von sich aus aus ihrem TV-Programm gestrichen haben. Allerdings kann man die Programme immer noch via Internet streamen.
Übernimmt die Schweiz die EU-Sanktionen gegen die Staatssender doch, würden deren Domainnamen gesperrt. Eine Sperre, die mit neuen Domainnamen oder VPN leicht umgangen werden könnte.
Wermuth rückt deshalb einen anderen Punkt in den Fokus: «Der Bundesrat sollte sich jetzt darauf konzentrieren, dass die Sanktionen gegen die Oligarchen endlich lückenlos greifen», sagt er. «Das ist jetzt der zentrale Hebel, um Putin das Handwerk zu legen.»