Sogar im Bordell herrscht Föderalismus
Puff um Puffs

Laut dem Bund können die Bordelle in der Schweiz offen bleiben. Die Nachricht hat sich in Europa wie ein Lauffeuer verbreitet. Zahlreiche Sexarbeiterinnen wollen bei uns ihre Dienste anbieten – beispielsweise in Zürich. Doch hier sind die Bordelle geschlossen.
Publiziert: 16.01.2021 um 01:03 Uhr
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Aktualisiert: 21.04.2021 um 20:48 Uhr
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Viele Bordelle müssen derzeit leer bleiben, weil verschiedene Kantone ein Prostitutionsverbot verhängt haben.
Foto: zVg
Pascal Tischhauser

«In der Schweiz sind die Erotikstudios weiterhin offen.» So ähnlich lautete auch die Schlagzeile, die auf Blick.ch zu lesen war. Doch manche Kantone gehen beim Lockdown auch bei den Studios weiter als der Bund.

«Ich bedaure sehr, dass Zürich und andere Kantone die Erotikstudios geschlossen haben – und wir nun auch hier unter einem föderalistischen Flickenteppich leiden», sagt Beatrice Bänninger, Geschäftsführerin der Zürcher Stadtmission.

Denn: «Das Telefon unserer Beratungsstelle läuft Sturm, seit Blick.ch titelte, dass Erotikstudios offenbleiben dürfen.» Selbst aus dem Ausland habe man zahlreiche Anrufe erhalten, ob das stimme, dass Sexarbeiterinnen bei uns noch ihre Dienstleistungen anbieten dürfen. Doch allen musste man sagen, dass im Kanton Zürich die Bordelle geschlossen bleiben.

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«Prostitution findet so oder so statt»

Für Bänninger macht die Schliessung keinen Sinn. Das hätte man schon beim ersten Lockdown im Frühling gesehen. «Die Prostitution findet so oder so statt. Es gibt dann einfach extrem viele Kontrollen und horrende Bussen.» Sie ist überzeugt, der Bund habe «weise gehandelt hat», als er die Erotikstudios offen liess.

Untersage man die Ausübung von Prostitution, wanderten die Sexarbeiterinnen in die Illegalität ab. Schliesslich müssten sie ja irgendwie überleben. Bänninger: «Mit einem Verbot lässt sich die Prostitution aber nicht mehr kontrollieren und die Gesundheitsprävention kann nicht mehr funktionieren.»

Puffs sind kein Treiber der Pandemie

Doch gerade aus gesundheitlichen Gründen sieht die Geschäftsführerin der Stadtmission keine Veranlassung, weshalb in Zürich offiziell tote Hose herrschen soll: «Auf den ersten Blick mag man vermuten, dass es wegen der Pandemie keinen Sinn macht, die Prostitution zu erlauben.» Abstand halten sei hier ja schwierig. «Die Prostitution ist aber kein Treiber der Pandemie, sagen die Experten, da Corona via die Atemwege übertragen wird», betont sie.

Für die Bordelle gibt es Schutzkonzepte, so wie andernorts auch. Nach jedem Freier muss die Bettwäsche ausgewechselt werden, es gilt eine Maskentragepflicht, und die Kunden müssen sich registrieren.

Bänninger nennt aber noch einen weiteren Grund, weshalb die Schliessungen für sie in Zürich keinen Sinn machen: «In der Stadt Zürich haben wir 138 Sexbetriebe und im restlichen Kanton nochmals etwa 140 Erotikunternehmen. Diese fallen kaum ins Gewicht im Vergleich zu den vielleicht 3000 Gastrobetrieben oder so, die es vermutlich in unserem Kanton gibt.»

50 Prozent mehr Sexarbeiterinnen in Bern

Sie bemängelt weiter, «wir haben keinen Überblick darüber, was für eine Sexdienstleistung in welchem Kanton, zu welcher Uhrzeit erlaubt ist und welche nicht.» Man wisse in Zürich nur: «Bei uns ist alles verboten.» In anderen Kantonen müssten die Bordelle abends schliessen. «Ich weiss nicht, wer hier noch den Überblick hat.»

Neben Zürich haben beispielsweise auch Aargau, Genf, Luzern, Solothurn und Thurgau Verbote erlassen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die anderen Kantone, die keine Schliessungen verordnet haben.

So sagt Alexander Ott, Vorsteher der Fremdenpolizei der Stadt Bern: «Wir verzeichnen seit Montag alleine in der Stadt eine Zunahme der Personen im Sexgewerbe von rund 80 auf etwa 120 Personen.» Das sei sicher Prostitutionsverboten in anderen Kantonen geschuldet. Die Auswirkungen für Kantone wie Bern sind klar: «Damit wächst der Druck auf die Arbeitstätigen im Rotlichtmilieu enorm.»

Geschäftlicher oder privater Beischlaf?

In Kantonen wie Bern, die für die Erotikbranche keine schärferen Massnahmen haben als die vom Bund getroffenen, gilt, dass die Studios zwar ab 19 Uhr über Nacht bis um 6 Uhr morgens geschlossen sein müssen.

Dabei gibt Ott zu bedenken: «Sie können nicht das ganze Leben regeln.» Wie beispielsweise wolle man beweisen, dass es sich bei einer Escortdame, die bei jemandem nächtigt, um die Ausübung einer sexuellen Dienstleistung handelt? «Vielleicht hat sie auch nur einen Bekannten besucht und ist halt über Nacht geblieben.»

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